Ein 25-jähriger Patient wurde uns zur Abklärung rezidivierender Palpitationen zugewiesen. Die Anamnese sowie die klinische Untersuchung lieferten Normalbefunde. Der Patient nahm keine Medikamente oder Drogen zu sich. Echokardiographisch zeigten sich Normalbefunde.
Wie beurteilen Sie das Ruhe EKG (Abb. 1)?
- A
- Kurze PQ-Zeit, keine Deltawelle.
- B
- NormalePQ-ZeitundDeltawelle.
- C
- KurzePQ-ZeitundDeltawelle.
Abbildung 1.
Ruhe-EKG.
Kommentar
Die PQ-Zeit ist mit 130 ms normal. In Ableitung V1 besteht jedoch ein gewisser Verdacht auf eine akzessorische Leitungsbahn. Ein weiterer Hinweis für das Vorliegen einer Präexzitation kann auch die fehlende Q-Zacke in Ableitung V6 sein. Dieses so genannte «septale Q» entsteht bei normalem Erregungsablauf über das His-Purkinje-System durch die von links nach rechts oben gerichtete initiale Depolarisation des interventrikulären Septums. Es ist nicht selten, dass vor allem bei linksseitigen akzessorischen Bahnen einenur sehr geringe Präexzitation im Ruhe-EKG gesehen wird. Der Grund hierfür ist, dass die im rechten Vorhof beginnende Sinusknotenerregung schnell über den AV-Knoten und das His-Purkinje-System in die Ventrikel geleitet wird, was zu einem schmalen QRS-Kom- plex führt. Die ventrikuläre Erregung über die weiter vom Sinusknoten entfernt liegende linksseitige akzessorische Bahn trifft somit auf mehrheitlich depolarisiertes Myokard und trägt wenig zur Ventrikelerregung und somit zur QRS-Morphologie bei.
Diagnostisch können vagale Manöver (z.B. Karo-tis-Sinus-Druckversuch), welche die Leitung über den AV-Knoten verlangsamen, helfen, weil dadurch die Präexzitation besser zum Vorschein kommt. Bei unserem Patienten führten vagale Manöver nicht zu einer Erregungsverzögerung durch den AV-Knoten. Medikamentös kann der AV-Knoten für einige Sekunden durch Adenosin i.v. komplett blockiert werden. Bei Vorliegen einer akzessorischen Bahn sieht man dann die Präexzitation, wie bei unserem Patienten in Abbildung 2 gezeigt. Hier ist aber Vorsicht geboten, kann doch Adenosin durch Verkürzung der atrialen Re- fraktärzeit auch Vorhofflimmern auslösen.
Abbildung 2.
EKG während der Gabe von Adenosin: ✶ Hier führt Adenosin kurz zu einer Verlangsamung der Sinusfrequenz.
Adenosin blockiert nun den AV-Knoten, so dass das ventrikuläre Myokard nur noch über die akzessorische Bahn depolarisiert wird, was im EKG zu einer vollen Präexzitation, in unserem Fall mit deutlich positiver Deltawelle in V1, führt.
Adenosin blockiert nun den AV-Knoten, so dass das ventrikuläre Myokard nur noch über die akzessorische Bahn depolarisiert wird, was im EKG zu einer vollen Präexzitation, in unserem Fall mit deutlich positiver Deltawelle in V1, führt.
Kurz vor der Zuweisung zur Ablation der akzesso-rischen Bahn musste der Patient wegen hochsympto-matischer tachykarder Palpitationen hospitalisiert werden (Abb. 3). Hier sieht man das gefürchtete, schlimmste Szenarium eines WPW-Syndroms, die FBI(Fast, Broad, Irregular)-Tachykardie. Bei dieser handelt es sich um Vorhofflimmern, welches sehr schnell über die akzessorische Bahn auf die Ventrikel übergeleitet wird. Eine solche Tachykardie ist poten-tiell lebensgefährlich, da schnell leitende Bahnen Ta-chykardien auslösen, welche in Kammerflimmern degenerieren können. Der Patient wurde in dieser Situa-tion erfolgreich elektrokonvertiert und dann abladiert. Abbildung 4 zeigt das Ruhe-EKG nach erfolgreicher Radiofrequenzablation der linksseitigen akzessori-schen Bahn via transseptalen Zugang. Interessanter-weise ist auch jetzt keine Q-Zacke in Ableitung V6 zu sehen. Im Ruhe-EKG 2 Monate nach Ablation fanden sich keine Hinweise für eine Erholung der Leitung über die akzessorische Bahn und der Patient blieb be- schwerdefrei.
Abbildung 3.
«FBI»-Tachykardie (fast, broad, irregular).
Abbildung 4.
EKG nach Ablation: Beachte den minimalen Unterschied zwischen den QRS-Komplexen in III und V1 im Vergleich zu Abbildung 1.
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