Fallbeschreibung
Bei einer 74jährigen Patientin wurde aufgrund eines Sick-Sinus-Syndroms mit Sinus-Stillständen bis 9,3 Sekunden Dauer und Synkope ein DDDR-Schrittmacher (St. Jude Medical Identity® ADx DR; Programmierung 55–115 bpm) implantiert. Die Schrittmacher-Einlage wurde durch eine Perforation des rechten Ventrikels kompliziert, weshalb eine Revision der Ventrikelelektrode mit Neuplazierung notwendig wurde. Als weitere Komplikation trat eine Perikardtamponade auf, welche mit einer Drainage versorgt wurde.
Bei der aktuell beschwerdefreien, hämodynamisch stabilen und am Bettrand zähneputzenden Patientin trat plötzlich Schwindel auf. Aufgrund einer detektierten Breitkomplex-Tachykardie (
Figure 1) löste der Monitor gleichzeitig den Rhythmusalarm aus.
Rhythmusanalyse
Worum handelt es sich bei der gezeigten Tachykardie:
- a)
Kammertachykardie?
- b)
Schrittmacher-induzierte Tachykardie?
- c)
Vorhofflimmern / -flattern mit aberranter Leitung?
- d)
Artefakt?
Diskussion
Antwort (a.) und (d.) sind richtig. Die unmittelbar nach dem Ereignis durchgeführte Schrittmacher-Abfrage zeigte eine normale Funktion mit adäquatem Sensing und Pacing. Der Speicher des Geräts, welcher bei der Abfrage am Vortag gelöscht worden war, zeigte im Frequenzprofil von über 140 Schlägen ausschliesslich ventrikulär sensierte und keine gepaceten Ereignisse, weshalb eine Schrittmacher-induzierte Tachykardie ausgeschlossen ist (siehe auch Programmierung). Im weiteren wies der Speicher auch keine ventrikulären High-rate-Ereignisse (PVE) in diesem Frequenzbereich auf, womit eine ventrikuläre Tachykardie mit darunter liegendem Sinusrhythmus ebenfalls ausgeschlossen werden konnte. Hingegen fanden sich im Speicher des Schrittmachers zwei kurze Mode-switch-Episoden, wovon die eine zeitlich mit dem dokumentierten EKG korrelierte. Theoretisch wäre es deshalb möglich, dass es sich beim Ereignis um eine kurze Vorhofflimmer- bzw. Vorhofflatter-Episode handelt, die zu einem Modeswitch des Schrittmachers mit eigener 2:1-Überleitung führte, und zwar zu Beginn ohne, dann mit Aberration. Das Ende der Breitkomplex-Tachykardie mit verkürztem Sinusintervall spricht allerdings gegen diese Theorie. Da keine Sinuspause nach der Tachykardie auftrat, muss der Sinusknoten im Hintergrund normal weitergeschlagen haben, was eine AVDissoziation während der Tachykardie und damit die Kammertachykardie selbst beweist. Nach der Tachykardie trat atriales Pacing (55 bpm) mit intrinsischer Überleitung auf, wodurch auch die regelmässigen Artefakte einfach von echten Flatterwellen zu unterscheiden sind.
Die Erklärung, warum die 34 Schläge dauernde Tachykardie im ventrikulären Highrate(PVE)-Speicher nicht registriert wurde, liegt wahrscheinlich darin, dass während dieser Episode tatsächlich ein kurzes Vorhofflimmern, wie oben beschrieben, vorgelegen hat; damit wurde während der ventrikulären Hochfrequenzepisode gleichzeitig auch eine atriale Tachykardie registriert, welche der Schrittmacher insgesamt als sensiertes, tachykard übergeleitetes Vorhofflimmern interpretierte. In der Kategorie von atrial und ventrikulär sensierten Ereignissen fanden sich in diesem Frequenzbereich auch tatsächlich gespeicherte Ereignisse.
Insgesamt gehen wir aufgrund der oben beschriebenen Überlegungen von einer Kammertachykardie bei verletztem Myokard nach Ventrikelperforation aus, wobei deren Interpretation durch das gleichzeitige Auftreten eines Vorhofflimmern und eins EKG-Artefakts erschwert wurde.