Zusammenfassung
Der perkutane Aortenklappenersatz setzt einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der interventionellen Kardiologie und bietet Patienten mit einer schweren valvulären Aortenstenose eine neue therapeutische Behandlungsmöglichkeit. Die beiden kommerziell verfügbaren Klappensysteme, die Edwards-SAPIEN™-Klappe und das CoreValve-Revalving™-System, ermöglichen die nicht operative, interventionelle Implantation einer biologischen, aus bovinem (Edwards-SAPIEN™) oder porzinem Perikard (CoreValve™) angefertigten Klappe. Beide Klappensysteme zeigten in klinischen Studien mit einem selektiven Patientengut eine weitgehende Normalisierung des transvalvulären Gradienten sowie eine deutliche Verbesserung der klinischen Symptomatik. Die Mortalität 30 Tage nach perkutanem Aortenklappenersatz (12%) war zudem geringer als aufgrund des Risiko-Scores für eine offene Operation geschätzt. Paravalvuläre Insuffizienzen, Koronarobstruktionen, höhere AV-Blockierungen, zerebrovaskuläre Ereignisse sowie eine Verletzung der grossen Gefässe sind mögliche Komplikationen beider Klappensysteme. Derzeit kommen Patienten mit deutlich erhöhtem perioperativen Risiko aufgrund von Komorbiditäten oder sehr alte Patienten für den perkutanen Aortenklappenersatz in Betracht. Potentielle Kandidaten bedürfen einer sorgfältigen Vorabklärung um die Durchführbarkeit der Intervention abschätzen und periinterventionellen Komplikationen wirksam vorzubeugen zu können.
Schlüsselwörter: Aortenstenose; perkutan; Aortenklappenersatz
Hintergrund
Die interventionelle Behandlung von Herzklappenerkrankungen geht zurück ins Jahr 1953. Damals wurde erstmals eine kongenitale Pulmonalstenose perkutan aufgedehnt [
1]. Die Ballonvalvuloplastie wurde 1979 eingeführt und kam ebenfalls erstmals bei der Pulmonalklappe zum Einsatz [
2]. Später wurde die Methode zur Behandlung von Rezidiven operativ behandelter Koarktationen [
3], valvulären, kongenitalen [
4] sowie erworbenen, degenerativen Aortenstenosen [
5] und Mitralstenosen [
6] verwendet. Anhaltend gute Resultate fanden sich im klinischen Verlauf nach perkutaner Komissurotomie der Mitralklappe, sodass dieser therapeutischen Methode weiterhin ein wichtiger Stellenwert zukommt [
7]. Im Gegensatz dazu ist die Ballonvalvuloplastie der senilen Aortenklappenstenose weitgehend wirkungslos, da es sich um schwergängige Klappentaschen und nicht um verklebte Kommissuren handelt. Die alleinige Ballonvalvuloplastie der Aortenklappenstenose wird deshalb heutzutage nur noch als palliative oder überbrückende Massnahme bis zum operativen Aortenklappenersatz in Erwägung gezogen [
8].
Abbildung 1.
Edwards-SAPIEN™-Klappe. (Mit freundlicher Genehmigung: TransCatheter Aortic Europe, Edwards Lifesciences Service BV.).
Abbildung 1.
Edwards-SAPIEN™-Klappe. (Mit freundlicher Genehmigung: TransCatheter Aortic Europe, Edwards Lifesciences Service BV.).
Die hohe, mit fortschreitendem Alter stark zunehmende Prävalenz der Aortenklappenstenose [
9,
10] führte dazu, weniger belastende Alternativen zum operativen Aortenklappenersatz zu entwickeln. Nach in-vitro Studien und ersten Erfolgen im Tiermodell in den 1990er Jahren [
11] gelang im Jahre 2002 die erste perkutane Aortenklappenimplantation bei einem inoperablen Patienten mit schwerer symptomatischer Aortenstenose [
12]. Der vaskuläre Zugangsweg für die Implantation einer aus Rinderperikard angefertigten Klappe, eingenäht in ein Stentgerüst aus rostfreiem Stahl, erfolgte anterograd. Über einen femoral-venösen Zugang wurde die Aortenklappenstenose nach Passage des linken Vorhofes (via transseptaler Punktion) und des linken Ventrikels sondiert. Mittels Loop-Technik, welche von femoral-arteriell den anterograd eingeführten Draht in der Aorta aszendens einfing, wurde eine Ballonvalvuloplastie durchgeführt und nachfolgend die ballonexpandierbare Klappe implantiert. Die native Klappe wurde dabei
in situ belassen bzw. zur Seite gedrückt. Dieser technisch anspruchsvolle und komplikationsträchtige Zugangsweg wurde durch den retrograden Zugang via Punktion oder Freilegung der arteriellen Strombahn im iliofemoralen Bereich abgelöst.
Klappentypen
Derzeit stehen zwei CE-zertifizierte Prothesen, die Edwards-SAPIEN™-Klappe (Figure), erstmals implantiert 2002 [
12], und das Core-Valve-Revalving™-System (
Abbildung 2), erstmals 2004 beim Menschen eingesetzt [
13] kommerziell zur Verfügung. Diese Klappentypen der ersten Generation kommen heute in mehreren Zentren regelmässig zur Behandlung einer valvulären Aortenstenose bei betagten, inoperablen bzw. Hochrisikopatienten zur Anwendung. Sie unterscheiden sich hinsichtlich Design, Grösse, verwendeter Materialien als auch Freisetzungsmechanismus voneinander (
Tabelle 1). Die Edwards-SAPIEN™-Klappe besteht aus einem Stentgerüst aus rostfreiem Stahl, in welches eine aus Rinderperikard hergestellte trikuspide Klappe eingenäht ist. Der ventrikelwärts gerichtete Teil des Stentgerüsts ist gedeckt um paravalvuläre Lecks zu vermeiden. Die Klappe wird mittels einer speziellen Kompressionseinrichtung auf einen Ballon gepresst um sie in den Katheter einführen zu können. Je nach Grösse des Klappenannulus stehen derzeit zwei Klappengrössen (23 mm und 26 mm) zur Verfügung. Nach erfolgter Ballonvalvuloplastie erfolgt die Freisetzung der Klappe mittels manueller Balloninflation. Dabei werden die nativen Klappentaschen zur Seite gepresst. Die Klappe selbst beeinträchtigt die Koronarostien aufgrund ihrer geringen Höhe bei exakter Positionierung nicht. Eine 22-French-Schleuse wird für die 23 mm messende und eine 24-French-Schleuse für die 26 mm messende Edwards-SAPIEN™-Klappe benötigt.
Das CoreValve-Revalving™-System besteht aus einem 5,5 cm langen Nitinol-Gerüst, in welches eine aus Schweineperikard hergestellte trikuspide Klappe eingenäht ist. Die «sanduhrähnliche» Form des Nitinolgerüst inkorporiert die folgenden Eigenschaften: Das untere Drittel, in welches die Klappe eingenäht ist, besitzt eine ausgeprägte Radiärkraft, um eine Verankerung des Systems im Klappenannulus zu gewährleisten. Das mittlere Drittel ist konkav geformt, um die Koronarabgänge nicht zu kompromittieren, und das obere Drittel dient der Ausrichtung des Systems mit geringer Radiärkraft, um einer Verletzung der Aortenwand vorzubeugen. Die speziellen Eigenschaften des Materials Nitinol erlauben eine Komprimierung des Systems unter Verwendung von eisgekühltem Wasser. Bei Körpertemperatur nimmt dann die selbstexpandierende Prothese innert kurzer Zeit ihre ursprünglich vorgegebene Form wieder an. Derzeit stehen zwei Prothesengrössen des CoreValve-Revalving™-Systems (23 mm und 27 mm) zur Verfügung. Beide Systeme werden retrograd via Punktion der Arteria femoralis communis durch eine 18-French-Schleuse eingeführt. Die wichtigsten Merkmale beider Klappensysteme sind in
Tabelle 1 zusammengefasst.
Patientenselektion und Indikationen
Die Selektion der Patienten erfolgt anhand einer detaillierten Vorabklärung (
Tabelle 2). Diese dient nicht nur einer genauen Risikoabwägung eines operativen Aortenklappenersatzes, sondern ermöglicht auch die Erhebung anatomischer, funktioneller und physiologischer Parameter. Sie sind von grosser Bedeutung bei der Einschätzung, ob eine perkutane oder transapikale Implantation möglich ist. Zusätzlich zu den echokardiographischen und invasiven Ausmessungen des Schweregrades der Stenose, der begleitenden Hämodynamik sowie Evaluierung einer koronaren Herzkrankheit kann die Computertomographie wichtige Informationen über den Gefässverlauf zwischen Leiste und Herz (Tortuosität, Gefässverkalkung) sowie den Durchmesser im Bereich des Aortenannulus, der Sinusportion und im Bereich der Aorta aszendens liefern. Nach Abschätzung der peri-operativen Mortalität mittels EuroSCORE [
16] oder STS-Score und nach Einbezug von in den Scores nicht berücksichtigten Faktoren (zum Beispiel Porzellanaorta), gilt es in einer interdisziplinären Diskussion mit Kardiochirurgen, Anästhesisten und Grundversorgern zwischen konventioneller Operation, perkutaner Klappenintervention oder medikamentöser Therapie abzuwägen. Derzeit kommen nicht-operable oder Hochrisikopatienten, insbesondere ältere Patienten (>75jährig) mit einem EuroSCORE über 15–20%, für einen perkutanen Eingriff in Frage.
Implantationstechnik
Beide Klappensysteme eignen sich für eine retrograde oder transapikale Implantationstechnik. Transapikal wird derzeit nur die Edwards-SAPIEN™-Klappe ausserhalb von Studien verwendet, während für die retrograde Verwendung bei beiden Systemen bereits eine CE-Zertifizierung besteht. Die Vorbehandlung schliesst eine prophylaktische antibiotische Abschirmung peri-interventionell sowie eine duale Plättchenhemmung mit Azetylsalizylsäure und Clopidogrel ein. Der Eingriff erfordert je nach verwendetem Klappensystem, Zustand des Patienten und Erfahrung des behandelnden Teams, welches in der Regel aus interventionellen Kardiologen, Kardio- oder Gefässchirurgen, Anästhesisten und Pflegepersonal besteht, eine Intubationsnarkose, die Verwendung einer transösophagealen Echokardiographie (TEE) sowie einer hämodynamischen Unterstützung (femoro-femoraler Bypass, Tandem-Heart). Die kontinuierliche technische Verbesserung der Systeme, insbesondere die Verkleinerung der verwendeten Schleusendurchmesser von initial 25 French (8 mm) auf 18 French (6 mm) beim CoreValve-Revalving™-System ermöglicht heute einen rein perkutanen Eingriff unter leichter Sedoanalgesie und Lokalanästhesie ohne TEE und ohne hämodynamische Unterstützung. Der Zugang in der Leiste kann nichtchirurgisch mit einem perkutan vorgelegten Nahtsystem verschlossen werden.
Der retrograde Zugang beginnt mit der Punktion der Arteria femoralis communis oder chirurgischen Freilegung der Arteria iliaca externa. Je nach verwendeter Schleusengrösse wird ein Nahtsystem (Prostar® Device) vorgelegt, um den Zugang am Ende nichtchirurgisch verschliessen zu können. Nach retrograder Sondierung und Ausmessung des Schweregrades der Aortenklappenstenose wird über einen extra-steifen Draht zunächst eine Ballonvalvuloplastie durchgeführt. Eine schnelle rechtsventrikuläre Stimulation («rapid pacing») hilft dabei, den Valvuloplastieballon in der Klappe zu stabilisieren. Die Ballonvalvuloplastie mit kompletter Ballonexpansion ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Implantation beider Klappensysteme. Sie ermöglicht die Passage der nativen Aortenklappe mit der jeweiligen Prothese sowie die volle Expansion derselben. Diese wird nach Einführen der klappenspezifischen Schleuse auf Höhe des Aortenklappenannulus vorgeschoben, wobei sich das Edwards-SAPIEN™-System zur besseren Steuerung bei der Passage des Aortenbogens eines flexiblen, steuerbaren Führungskatheters bedient. Die Position der Prothese wird unter Fluoroskopie anhand von wiederholten Kontrastmittelinjektionen über einen kontralateral eingeführten Pigtail-Katheter und mittels TEE kontrolliert. Freigesetzt werden die Klappensysteme entweder mittels manueller Balloninflation (Edwards-SAPIEN™) oder durch Zurückziehen der Hülle, welche das selbstexpandierende System (CoreValve™) freisetzt. Abschliessend erfolgt mit-tels Aortographie (und TEE) die Kontrolle der Position und Funktion der neuen Klappe. Bei Nachweis einer relevanten paravalvulären Insuffizienz können beide Klappensysteme mittels Ballon nachdilatiert und weiter expandiert werden, ohne dass strukturelle Schäden an der neuen Klappe zu erwarten sind.
Der transapikale Zugang wird gewählt, falls der retrograde Zugang anatomisch (starke Tortuosität, hochgradige Gefässverkalkung, kleiner Gefässdiameter, diffus erkrankte, stenosierte aorto-iliofemorale Achse) nicht möglich ist. Eine horizontale, interkostale Mini-Thorakotomie im Bereich des 5. oder 6. Interkostalraumes ermöglicht dabei den Zugang zur apiko-lateralen linksventrikulären Wand. Nach Vorlegen einer Tabakbeutelnaht wird der Ventrikel apikal punktiert, die Aortenklappenstenose anterograd passiert, ballonvalvuloplastiert und die Prothese analog wie oben beschrieben freigesetzt.
Klinische Studien
Nach den ersten klinischen Studien [
14,
15] sind unlängst die Resultate von 3 Studien mit einer Patientenzahl 050 publiziert worden (
Abbildung 3) [
17,
18,
19]. Die grösste, multizentrische Studie mit 86 Patienten wurde mit dem Core-Valve Revalving™-System veröffentlicht [
17]. Die erfolgreiche Implantationsrate belief sich dabei auf 88%. In 6% der Fälle wurde nach fehlgeschlagenem Versuch der perkutanen Implantation ein operativer Aortenklappenersatz vorgenommen. Die Mortalität 30 Tage nach dem Eingriff belief sich auf 12% und lag damit deutlich unter der mittels EuroSCORE für eine konventionelle Operation geschätzten Mortalität (22%). Bei Patienten, die innert 48 Stunden peri-interventionell keine Komplikation erlitten hatten, betrug die Mortalität lediglich 5% nach 30 Tagen. Eindrücklich waren die hämodynamischen Ergebnisse mit einer Reduktion des mittleren Gradienten über der Aortenklappe von 44 ± 11 mm Hg auf 9 ± 4 mm Hg. Der längste klinische Verlauf beläuft sich auf knapp 3 Jahre. Es zeigten sich dabei keine Zunahme der Gradienten oder strukturelle Klappenprobleme. Die klinische Symptomatik verbesserte sich im Durchschnitt um eine ganze NYHA-Klasse innerhalb der ersten 30 Tage. Vergleichbare Resultate wurden mit der Edwards-SAPIEN™-Klappe retrograd und transapikal erreicht (
Abbildung 3).
Insgesamt wurden bis heute bei ungefähr 1000 Patienten perkutan eine Aortenklappe implantiert, und unveröffentlichte Registerdaten bestätigen eine 30-Tage-Mortalität von ca. 12%. Es gibt indes teilweise schwerwiegende Komplikationen, die bei der Anwendung beider Klappensysteme auftreten können:
Die Rate der peri-interventionellen zerebrovaskulären Ereignisse beträgt 2–10% und scheint am geringsten bei der transapikalen Anwendung. Ursächlich dafür verantwortlich sind einerseits die Passage des Aortenbogens mit einer grossen Schleuse bzw. Katheter, die Vordilatation der verkalkten, nativen Aortenklappe sowie möglicherweise intermittierende Blutdruckschwankungen während der Intervention.
Peri-prozedurale Herzinfarkte wurden sowohl mit der CoreValve™ als auch bei der Edwards-SAPIEN™-Klappe in seltenen Fällen registriert. Die Konfiguration der CoreValve™-Klappe verhindert den direkten Kontakt des Prothesengerüsts mit den Koronarostien, falls die Sinusportion genügend weit ist und die Koronarien nicht tiefsitzend abgehen. Bei korrekter Positionierung der Edwards-SAPIEN™-Klappe kommt diese, bei normal abgehenden Koronararterien, unterhalb der Ostien zu liegen. Die Ballonvalvuloplastie und auch die Klappenimplantation können jedoch verkalkte Teile der nativen Klappe nach proximal und kranial verschieben, was allenfalls eine Koronarobstruktion zur Folge hat. Die Höhe der aortalen Sinusportion ist daher von grosser Bedeutung, um dieses Risiko vor der Intervention abschätzen zu können. Eine Koronarangiographie oder interventionelle Behandlung der Koronarien nach perkutaner Klappenimplantation ist möglich, auch wenn die Intubation der Koronarostien mit einem Katheter nach CoreValve™-Implantation erschwert ist.
Das Risiko einer peripheren oder aortalen
Gefässkomplikation ist bei sorgfältigem Screening mittels Angiographie, Computertomographie und allenfalls Duplexuntersuchung sowie unter Berücksichtigung der minimal erforderlichen Diameter (mind. 6 mm für 18 French bei CoreValve™, mind. 7–8 mm für 21 French bzw. 8–9 mm für 24 French bei Edwards-SAPIEN™) im ilio-femoralen Bereich gering (max. 8%, mit zunehmender Erfahrung abnehmend). Eine ausgeprägte Tortuosität verbunden mit starker Verkalkung der iliofemoral Achse stellt jedoch weiterhin eine Kontraindikation für den retrograden Zugang dar. Alternative Zugangswege über die Arteria brachialis wurden versucht, jedoch wegen Gefässkomplikationen wieder verlassen. Die transapikale Implantation ist aktuell die einzige Alternative zum retrograden Zugang. Mit der Edwards-SAPIEN™-Klappe sind bereits erste klinische Daten veröffentlicht worden, die mit den Resultaten der retrograden Implantationstechnik vergleichbar sind (
Abbildung 3). Während das Risiko eines zerebrovaskulären Insultes möglicherweise geringer ausfällt, kann es zu Re-Thorakotomie, Pleura- oder Perikardergüssen kommen.
Die Notwendigkeit einer permanenten Schrittmacherimplantation wegen eines kompletten atrioventrikulären (AV-) Blokkes wurde in ca. 10–20% der Fälle beobachtet. Aufgrund der Annulusdilatation während der Valvuloplastie, aber auch der Radiärkraft der Klappenprothesen im subannulären Bereich, kann es zu einer Beeinträchtigung der AV-Überleitung kommen.
Paravalvuläre Lecks wurden nach Implantation beider Systeme beobachtet, wobei die Inzidenz klinisch relevanter, schwerer Aorteninsuffizienzen bei korrekter Positionierung in den Studienpopulationen weniger als 5% betrug. Das selbstexpandierende Nitinolgerüst der Core-Valve-Prothese zeigt dabei in den Tagen nach der Implantation die Eigenschaft, sich tendenziell weiter auszudehnen. Dies kann zu einer Verminderung des initial beobachteten paravalvulären Lecks führen.
Klinisches Beispiel
Die 89jährige, selbständig zuhause lebende Patientin wurde bei progredient symptomatischer (Angina pectoris CCS 3 und Dyspnoe NYHA III), echokardiographisch schwerer Aortenklappenstenose (Klappenöffnungsfläche 0,42 cm
2, mittlerer/maximaler Druckgradient 76/97 mm Hg) zur Evaluation eines Aortenklappenersatzes zugewiesen. Die invasive Untersuchung bestätigte den Schweregrad der Stenose bei normaler systolischer linksventrikulärer Funktion und leichter pulmonal-arterieller Hypertonie. Die Koronarographie zeigte lediglich eine Koronarsklerose ohne relevante Stenosierungen. Das mittels logistischem EuroSCORE errechnete Mortalitäts-Risiko betrug 14%. Bei gegebener Indika-tion für einen Aortenklappenersatz wurde die Patientin der Herzchirurgie hinsichtlich eines konventionellen Aortenklappenersatzes vorgestellt. Letzterer wurde jedoch von der Patientin kategorisch abgelehnt, so dass sie hinsichtlich eines möglichen perkutanen Aortenklappenersatzes mittels Kontrastmittel-CT zur genauen Evaluierung des Diameters, der Morphologie, des anatomischen Verlaufs und des Verkalkungsgrades im Bereich des Aortenklappenannulus, der Aorta aszendens sowie der vaskulären ilio-femoralen Achse abgeklärt wurde. Der gemessene Durchmesser des aortalen Annulus betrug 22 mm, der Arteria femoralis rechts 7 mm, links 8 mm ohne relevante Tortuosität der Beckengefässe. Die anatomische Voraussetzung für den Gebrauch der 18-French-Schleuse war damit gegeben. Die Patientin wurde über die Möglichkeit einer perkutanen Aortenklappenimplantation informiert und gab hierfür ihre Einwilligung. Sie wurde mit Azetylsalizylsäure (100 mg/d) und Clopidogrel (600 mg Ladedosis gefolgt von vom 75 mg/d) vorbehandelt. Der Eingriff wurde unter Vollnarkose durchgeführt. Das hämodynamische Monitoring erfolgte mittels eines Swan-Ganz-Katheters und einer arteriellen Druckmessung über die linke Arteria radialis. Nach Vorlegen eines femoralen Punktionsverschlusssystems (Prostar
®) erfolgte die retrograde Sondierung der Aortenstenose und simultane Druckmessung im linken Ventrikel und der Aorta. Nach Austausch auf einen extrasteifen Draht wurde die Ballonvalvuloplastie (Tyshak
®-II-Ballon, 22 mm) unter rascher Ventrikelstimulation vorgenommen. Die Patientin blieb hämodynamisch stabil bei nun leichter Aorteninsuffizienz. Nach Einführung der 18-French-Schleuse wurde die CoreValve™-Prothese retrograd auf Höhe des Aortenannulus platziert. Es folgte die Freisetzung der Prothese in korrekter Position unter Positionskontrolle mittels Fluoroskopie sowie Kontrastmittelinjektionen in die Aorta aszendens via kontralateral eingeführtem Pigtail-Katheter. In der simultanen Druckmessung liess sich eine instantane Abnahme des mittleren Druckgradienten von 74 auf 3 mm Hg registrieren. Gleichzeitig stieg das invasiv bestimmte Herzminutenvolumen von 3,9 auf 4,9 l/min. Eine zweimalige Nachdehnung der Prothese mit einem 23 und 25 mm Ballon reduzierte die initiale Grad II+-paravalvuläre Aorteninsuffizienz auf Grad I+. Abschliessend wurde der arterielle Zugang rechts (18 F Schleuse) mithilfe des vorgelegten Prostar
®-Systems verschlossen (
Abbildung 9). Die Gesamtdauer der Narkose betrug 125 Minuten, die Dauer des Eingriffes (einschliesslich der genannten Vorbereitungen) 95 Minuten.
Bei der am Folgetag durchgeführten transthorakalen Echokardiographie (TTE) betrug die berechnete Klappenöffnungsfläche 1,5 cm2, der mittlere Druckgradient 5 mm Hg, und es bestand lediglich eine leichte paraval-vuläre Aortenklappeninsuffizienz. Die Überwachung auf der Intensivstation bzw. kardiologischen Überwachungsstation für die ersten 24 Stunden verlief unauffällig, insbesondere trat keine höhergradige AV-Blockierung auf. Nach 48 Stunden wurde der provisorische Schrittmacher entfernt und die Patientin mobilisiert. Nach kardialer Rehabilitation berichtete die Patientin in einer ambulanten kardiologischen Verlaufskontrolle noch über eine Dyspnoe NYHA-II-Symptomatik bei fehlender Angina pectoris. Echokardiographisch war der Befund unverändert günstig.
Diskussion
Die Prävalenz der valvulären Herzkrankheiten nimmt bei über 75 Jährigen stark zu [
10] und wird in den kommenden Jahren zu einer wachsenden Herausforderung der behandelnden Ärzte. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass die unbehandelte Aortenstenose wie auch bereits die Aortenklappensklerose mit einer schlechten Prognose assoziiert sind [
20]. Rein medikamentös kann der Verlauf der Erkrankung kaum beeinflusst werden und bis vor kurzem war der operative Aortenklappenersatz die einzige therapeutische Option die Prognose der Patienten deutlich zu verbessern [
21]. Aus grossen Beobachtungsstudien geht hervor, dass bis zu 32% der Patienten, bei welchen eine Indikation für einen operativen Aortenklappenersatz besteht, ein solcher nicht vorgenommen wird [
22]. Als Gründe werden das fortgeschrittene Alter sowie Komorbiditäten angeführt, obwohl die klinischen Resultate nach operativem Aortenklappenersatz bei über 80 Jährigen akzeptabel sind (10% Mortalität perioperativ) [
23]. Die beschriebenen perkutanen Klappensysteme stellen eine neue therapeutische Option für die bislang operativ nicht behandelten Patienten dar. Mit einer Mortalitätsrate von 12% innert 30 Tagen nach Eingriff sind die ersten klinischen Ergebnisse ermutigend, insbesondere unter Berücksichtigung der erheblichen Lernkurve [
17,
19]. Es wird sich zeigen, ob diese neuen Klappensysteme auch längerfristig befriedigen. Die technische Weiterentwicklung der perkutanen Klappensysteme schreitet rasch voran und bereits sind Typen der zweiten Generation wie die Lotus-Klappe von SADRAgetestet worden. Sie ist repositionierbar und soll das Risiko paravalvulärer Lecks verringern. Mit zunehmendem technologischem Fortschritt werden die möglichen Indikationen für einen perkutanen Aortenklappenersatz breiter. Attraktiv erscheint zum Beispiel die Möglichkeit eines perkutanen Klappenersatzes im Falle einer degenerierten Bioprothese [
24]. Dies würde dem Herzchirurgen heute eine Verwendung von Bioprothesen auch bei jüngeren Patienten erlauben, da die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass zum Zeitpunkt eines Ersatzesbedarfs 10–15 Jahre später ein perkutaner Eingriff angeboten werden kann.
Konklusion
Die neuen Klappensysteme zur interventionellen Behandlung der valvulären Aortenstenose bieten eine therapeutische Option für eine bislang nur konservativ behandelte Patientenpopulation und setzen einen Meilenstein in der Geschichte der perkutanen Behandlung von Herzkrankheiten. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass die rein perkutane Implantation einer biologischen Klappe und damit der Aortenklappenersatz ohne chirurgischen Eingriff mit Herzlungenmaschine oder Vollnarkose möglich sind. Die ersten klinischen Ergebnisse bei einer hochselektiven Population zeigen exzellente hämodynamische als auch gute klinische Resultate und unterbieten die geschätzten chirurgischen Mortalitätsraten. Zu betonen gilt es jedoch, dass die Klappensysteme im Langzeitverlauf erst noch ihre funktionelle Dauerhaftigkeit beweisen müssen, und die Risiken der Implantation nicht zu unterschätzen sind. Sie kommen derzeit lediglich für eine Hochrisikopopulation oder bei Inoperabilität in Frage.