Zusammenfassung
Einleitung: Die minimalisierte extrakorporelle Zirkulation (MECC) ist eine neue Perfusionstechnologie, beinhaltend eine Zentrifugalpumpe und ein optoelektrisches Saugsystem. Neben der Reduktion des Priming-Volumens besteht der Hauptvorteil in der volumenkonstanten Perfusion. Ziel dieser Arbeit ist es, den Einfluss des MECC auf die Entzündungsmarker und auf die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns (VHF) auszuwerten, im Vergleich zur konventionellen Herz-Lungen-Maschine (HLM).
Patienten und Methodik: Zwei Kollektive wurden ausgewertet: 30 Patienten wurden prospektiv randomisiert mit dem MECC-System oder der HLM operiert. In diesem Kollektiv wurde die Aktivierung der Entzündungsmarker (IL-6, SC5-b9, humanes Laktoferrin) untersucht. In einem zweiten Kollektiv mit 86 Patienten wurde die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns ausgewertet: 41 Patienten (47,7%) wurden mit der HLM und 45 Patienten (52,3%) mit dem MECC-System operiert. Die Patientencharakteristika waren identisch in beiden Gruppen.
Resultate: Die Entzündungsmarker waren früh postoperativ in der MECC-Gruppe signifikant tiefer. VHF konnte bei 16 Patienten (39,0%) aus der HLM-und bei 5 Patienten (11,1%) aus der MECC-Gruppe (p <0,05) dokumentiert werden. Postoperativ war der Gewichtsanstieg weniger ausgeprägt in der MECC-Gruppe (2,9 ± 2,4% vs. 4,4 ± 2,6%; p <0,05). Die antiarrhythmische Medikation mit Betablocker war in beiden Gruppen mit einem Anteil von 95,1% in der HLM-und 93,3% in der MECC-Gruppe identisch (p = ns). Die Serumkalium-Werte waren ebenfalls in beiden Gruppen identisch (p = ns).
Schlussfolgerung: MECC ist eine etablierte und sichere volumenkonstante Perfusionstechnik. Die Aktivierung der Entzündungsmarker ist weniger ausgeprägt in MECC-Patienten. Die Reduktion des Priming-Volumens führt zu weniger markanten Volumenverschiebungen, was einen günstigen Einfluss auf die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns hat.
Schlüsselwörter: Herzchirurgie; aortokoronarer Bypass; extrakorporelle Zirkulation
Einleitung
Die aortokoronare Bypass-Operation (ACB) unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine (HLM) gilt als etablierte und sichere Technik zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit [1,2]. Die HLM, welche 1951 erstmalig klinisch durch C. Dennis in Minnesota eingesetzt wurde, verhalf der Herzchirurgie zum Durchbruch. Trotz den guten Ergebnissen mit tiefer Mortalität bei Patienten mit steigendem Risikoprofil verursacht die HLM gewisse postoperative Nebenerscheinungen oder Komplikationen [3–5]. Neben diskreten neurologischen und neuropsychologischen Ausfällen, welche zumindest teilweise der HLM angelastet werden, geht es insbesondere um die Aktivierung der Entzündungskaskade, die Hämodilution mit konsekutivem Transfusionsbedarf und den suboptimalen Myokardschutz.
Vor diesem Hintergrund gewann die Chirurgie am schlagenden Herzen, die sogenannte Off-pump-Chirurgie, zunehmend an Bedeutung. Diese Technik, bei welcher die Koronararterien unter Verwendung von Stabilisatoren dargestellt werden, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Zumindest scheint die Anzahl distaler Anastomosen geringer zu sein bei der Off-pump-Technik als bei Operationen mit der Herz-Lungen-Maschine (CPB) und einige Arbeiten äusserten sich kritisch über die Qualität der Anastomosen, da am schlagenden Herzen die Anlage einer Anastomose technisch schwieriger und unübersichtlicher sein kann als am stillgelegten Herzen [6]. Trotz diesen Einschränkungen ist die Chirurgie am schlagenden Herzen, insbesondere bei älteren Patienten oder bei denen mit stark atheromatös veränderter Aorta, eine valable Alternative, um potentiell gefährliche Manipulationen an der Aorta vermeiden zu können, wodurch die Gefahr der zerebralen Embolisation minimiert werden kann. Zudem konnten wir zeigen, dass die Chirurgie am schlagenden Herzen, insbesondere bei alten Patienten, einen günstigen Einfluss auf die postoperative Lebensqualität hat [7]. Als Alternative zur Offpump-Chirurgie haben wir uns in den letzten Jahren vermehrt mit der Optimierung der HLM auseinandergesetzt. Isolierte ACB-Operationen werden in unserer Klinik mittlerweile fast ausschliesslich mit der minimalisierten extrakorporellen Zirkulation (MECC, Maquet AG, Hirrlingen, Schweiz) durchgeführt, welche mit einem speziellen Saugsystem, dem CardioSmart® (CardioSmart AG, Muri, Schweiz), ergänzt wird. Dieses Saugsystem wird nur aktiviert, wenn der optoelektrische Sensor an der Spitze des Saugers Blut detektiert. Damit wird der Kontakt von Blut mit der Umgebungsluft durch intermittierendes Saugen minimiert. Diese Änderung ist wesentlich, da die aktuelle Datenlage über die MECC-Perfusion immer unter Verwendung eines zusätzlichen Cell-saver-Systems erhoben wurde, was sich einerseits auf die Kosten ungünstig auswirkt und anderseits sicherlich einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die postoperative Gerinnungsund Entzündungsreaktion nach sich zieht [8–10]. Die Gruppe aus Regensburg konnte aufzeigen, dass die MECC-Perfusion einen günstigen Einfluss auf den periund postoperativen Transfusionsbedarf hat und die postoperativen Komplikationen, verglichen mit der konventionellen HLM, reduziert werden können [8]. Eine neuere Studie, allerdings mit einem sehr viel kleineren Patientenkollektiv, konnte diese Vorteile der MECC-Perfusion nicht aufzeigen [9].
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblicküber die aktuelle Datenlage der MECC-Eingriffe im Vergleich zur konventionellen HLM zu geben. Insbesondere möchten wir unsere Resultate hinsichtlich der Aktivierung der Entzündungsreaktion und der Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns vorstellen.
Patienten und Methodik
Seit der Einführung des MECC-Systems wurden in unserer Klinik über 800 Patienten mit diesem System operiert. Das MECC kommt zur Zeit nur für isolierte ACB-Operationen zur Verwendung. Der Entscheid, ob ein MECC eingesetzt wird oder nicht, ist abhängig vom Entscheid des Chirurgen. Die Unterschiede beider Techniken sind in
Table 1 gegenübergestellt.
Komplementaktivierung
Um einen Selektionsbias in der Auswertung der Daten zu vermeiden, wurde für die Beurteilung der Komplementaktivierung eine prospektiv randomisierte Studie durchgeführt, bei welcher 30 Patienten nach unterzeichnen einer Patienteneinwilligung (Informed consent) entweder mit MECC oder konventioneller HLM operiert wurden. Die Hospitalisationsdaten wurden erfasst. Interleukin-6 (IL-6) (Endogen®, Human IL-6, Pierce Biotechnology Inc, IL, USA), SC5b-9 (Quidel®, McKellar Court, CA, USA) und humanes Laktoferrin (HL) (Bioxytech®, OXIS Health Products Inc., OR, USA) wurden mit einem ELISA-immunoassay-Kit bestimmt. Die Komplement-Bestimmung erfolgte präoperativ, nach Gabe von Heparin an der HLM, 20 Minuten nach Beginn der extrakorporellen Perfusion, nach Protamin-Gabe sowie 2 und 24 Stunden postoperativ.
Vorhofflimmern
Die Auswirkung auf die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns wurde an einem Kollektiv von 86 konsekutiv erfassten Patienten ausgewertet, wobei die präund perioperativen Daten der Patienten, welche am MECC operiert wurden (n = 45; 52,3%) denjenigen Patienten gegenübergestellt wurden, welche an der konventionellen HLM operiert wurden (n = 41; 47,7%).
Neben den üblichen postoperativen Daten wurde insbesondere der postoperative Gewichtsverlauf, der Serumkalium-Spiegel und das in der monitorisierten Überwachung (bis 3. postoperativer Tag) oder elektrokardiographisch festgehaltene Auftreten eines Vorhofflimmerns ausgewertet.
Operationstechnik
Alle Patienten wurden über eine Sternotomie operiert. Nach Präparation der Arteria mammaria und der anderen Bypass-Gefässe erfolgte die Volliqueminisierung, wobei initial 400 IE Liquemin pro kg Körpergewicht bei der konventionellen HLM und 200 IE Liquemin pro kg Körpergewicht beim MECC gegeben wurden. Die Perfusion wurde in beiden Patientengruppen identisch gehandhabt: mittels arterieller Kanüle in die Aorta ascendens und venöser Two-stage-Kanüle in den rechten Vorhof. Zur Prävention von Luftembolien wurde bei Verwendung des MECC eine zweite Tabakbeutelnaht am rechten Vorhof angelegt. Die Operation wurde in beiden Gruppen in milder Hypothermie (32 °C) durchgeführt. Nach Abklemmen der Aorta ascendens wurde in der konventionellen HML-Gruppe kalte Blutkardioplegie verwendet, welche über 5 Minuten appliziert wurde und in der MECC-Gruppe wurden 100 mL kristalloide Kardioplegie appliziert. In der konventionellen HML-Gruppe wurde alle 20–30 Minuten Blutkardioplegie appliziert. In der MECC-Gruppe wurde die Kardioplegielösung nur bei sichtbarer mechanischer Herzaktivität wiederholt. Bei beiden Operationstechniken werden die proximalen Anastomosen bei partiell ausgeklemmter Aorta ascendens während der Reperfusion als End-zu-Seit-Anastomosen angelegt. Um beim MECC eine zusätzliche Schädigung der Blutzellen zu verhindern, wurde eine neue Kardiotomiesaugung (CardioSmart® AG, Muri, Schweiz) in das System integriert. Sie besteht aus einer rotlichtgesteuerten Vorrichtung, welche mit einer sensitiven, optoelektrischen Saugspitze die Aspiration einleitet bzw. unterbricht. Der Saugmechanismus wird nur in Bewegung gesetzt, wenn die Saugspitze mit Blut in Kontakt kommt. Das aspirierte Blut wird direkt in die Leitung des venösen Kreislaufes rückgeführt und somit ist weder Reservoir noch eine zusätzliche Pumpe notwendig. Beim CPB verwendet man die herkömmliche Rollerpumpe und das aspirierte Blut wird in ein Reservoir weitergeleitet.
Resultate
Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede in den präund perioperativen Charakteristiken zwischen den Patienten, welche mit der konventionellen HLM und jenen, die mit dem MECC-System operiert wurden. Der durchschnittliche EURO-Score lag bei beiden Kollektiven bei 3,9. Im Schnitt wurden 3,5 distale Anastomosen angelegt (3,56 ± 1,0 mit konventioneller HLM und 3,47 ± 1,1 mit MECC; p = ns) (
Table 2).
Komplementaktivierung
Bezüglich der Aktivierung der Entzündungsreaktion fanden sich in der MECC-Gruppe nach Protamin-Gabe signifikant tiefere SC5-b9-Serumwerte bis 24 Stunden postoperativ, IL-6 war 2 Stunden postoperativ signifikant tiefer und Laktoferrin (HL) war nach Gabe von Protamin bis 2 Stunden postoperativ signifikant tiefer (
Figure 1,
Figure 2 and
Figure 3).
Vorhofflimmern
Insgesamt 5 Patienten (11%) aus der MECC-Gruppe entwickelten ein postoperatives Vorhofflimmern gegenüber 16 Patienten (39%) aus der konventionellen HLM-Gruppe. CTnI war signifikant tiefer in der MECC-Gruppe (18,0 ± 41,8 mg/l vs. 44,2 ± 85,2 mg/l; p <0,05).
Die Hospitalisationsdauer auf der Intensivpflegestation, wie auch die Gesamthospitalisationsdauer, war kürzer in der MECC-Gruppe, wie in
Table 2 ersichtlich ist.
Diskussion
Die MECC-Technik hat sich als neue Perfusionstechnik, vorerst für Bypass-Operationen, etabliert. Sie stellt eine gute, effiziente und sichere Alternative zur Off-pump-Chirurgie dar. Neben dem günstigen Einfluss auf die myokardialen Marker, mit signifikant tieferen cTnI-Werten in der frühpostoperativen Phase nach MECC vs. konventioneller HLM [
11], bietet diese Technik in der klinischen Routine weitere Vorteile.
Die Reduktion der Hämodilution und der Kontaktoberfläche reduzieren sozusagen die Entzündungsreaktion, die beim MECC weniger ausgeprägt ist als bei der konventionellen HLM. Sicherlich trägt auch der Einsatz des CardioSmart® dazu bei, dass die Komplementaktivierung weniger ausgeprägt ist, da das gezielte Saugen bei Kontakt mit Blut die Exposition der korpuskulären Blutbestandteile mit der Umgebung weiter reduziert. Dies ist in unseren Augen ein wesentlicher Vorteil, wenn man das MECC-System mit dem Cardio-Smart®-System kombiniert und somit auf die Verwendung eines Cell-saver-Systems verzichten kann. Ein weiterer Vorteil des geschlossenen Systems liegt in der volumenkonstanten Perfusion, wodurch, im Gegensatz zur konventionellen HLM, die zerebrale Oxygenation besser gewährleistet ist und die Inzidenz von zerebralen Mikroembolien weiter reduziert wird [
10]. Diese Beobachtung könnte, neben der Reduktion der Entzündungsreaktion, die Erklärung für die raschere frühpostoperative Erholung der MECC-Patienten sein. Präliminäre Resultate einer grossen prospektiven Studie an unserer Klinik scheinen dies zu bestätigen.
Die ausgeprägtere Gewichtszunahme nach Einsatz der konventionellen HLM ist zumindest teilweise auf das höhere Priming-Volumen zurückzuführen. Die Gewichtszunahme, als prozentuale Veränderung bezogen auf das präoperative Gewicht, beträgt im HLM-Kollektiv 4,4% ± 2,6% gegenüber 2,9% ± 2,4% in der MECC-Gruppe (p <0,05). Bei identischen präoperativen Risikofaktoren und adäquater Kalium-Substitution in beiden Gruppen (p = ns), dürfte die deutlich höhere Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns in der konventionellen HLM-Gruppe (39% vs. 11%; p <0,05) auf die postoperativ unter Diuretika ausgelöste Volumenverschiebung zurückzuführen sein [
12], insbesondere, da sich bezüglich der medikamentösen Prophylaxe gegen das Vorhofflimmern keine Unterschiede in beiden Gruppen finden. Anderseits besteht auch die Möglichkeit, dass der geringere myokardiale Schaden [
11] zu der reduzierten Inzidenz von Vorhofflimmern führt.
Betrachtet man die Kosten beider Systeme, so ist das in unserer Klinik zum Einsatz kommende MECC-System in Kombination mit dem CardioSmart®-Saugsystem rund 700.– CHF günstiger im Vergleich zur konventionellen HLM.
Die MECC-Technik ist eine sichere und etablierte Technik. Die Hauptveränderungen im Vergleich zur konventionellen HLM verursachen eine deutlich reduzierte Komplementaktivierung und Hämodilution, wodurch der Transfusionsbedarf weiter gesenkt werden kann. Die geringere Volumenverschiebung reduziert die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns deutlich.