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Communication

CARTA 06, 3. «Cardiovascular Roundtable»

by
Frank Enseleit
,
Thomas F. Lüscher
and
Ruth Amstein
*
Stiftung für Herz- und Kreislaufforschung und Klinik für Kardiologie, HerzKreislaufZentrum, UniversitätsSpital Zürich, 8091 Zürich, Switzerland
*
Author to whom correspondence should be addressed.
Cardiovasc. Med. 2007, 10(1), 38; https://doi.org/10.4414/cvm.2007.01226
Submission received: 26 October 2006 / Revised: 26 November 2006 / Accepted: 26 December 2006 / Published: 26 January 2007

Hintergrund

CARTA oder «Cardiovascular Roundtable» wurde von der Stiftung für Herzund Kreislaufforschung und der Kardiologie am Universitätsspital Zürich ins Leben gerufen, mit dem Ziel, kardiovaskulär tätige Ärzte, führende Industriepartner sowie Gesundheitspolitiker aus der Schweiz in regelmässigen Abständen am runden Tisch zu einem Dialog zusammenzubringen. Dabei sollen in informeller und offener Art Gedanken und gegenseitige Erwartungen ausgetauscht, aktuelle Themen und Probleme diskutiert sowie gemeinsame Lösungsansätze formuliert werden. Das Ziel ist es, Schranken und Missverständnisse abzubauen sowie mögliche Wege einer Verbesserung der kardiovaskulären Forschung, der Fortbildung und der Qualität der medizinischen Versorgung aufzuzeigen.
Das diesjährige Treffen, am 25. August 2006 in Weggis, fokussierte auf neuere Entwicklungen in der Gesundheitspolitik, den Zulassungsprozess für Arzneimittel, die Substitution durch Generika, die geplante Einführung der «Diagnosis Related Groups» (DRG) in der Schweiz sowie dem neuen Humanforschungsgesetz.

Schwarzpeterspiel im Gesundheitswesen

Prof. Thomas F. Lüscher eröffnete das Treffen und begrüsste Trix Heberlein, FDP-Ständerätin (Figure 1) zum Eröffnungsreferat. Auf brillante Art vermittelte sie einen Überblick zu den gesundheitspolitischen Problemen, die das eidgenössische Parlament beschäftigen. Es ist das Ziel einer guten Gesundheitspolitik, bei einer hohen Qualität für alle Patienten die Kosten in einem vertretbaren Rahmen zu halten und allen Patienten sämtliche Leistungen zur Verfügung zu stellen. Auf dem grossen, 50-Milliarden-Franken-betragenden Markt des Gesundheitswesens verfolgt jedoch jede Interessengruppe ihre eigenen Ziele, was dazu führt, dass sich die Anliegen nicht in einem Punkt bündeln, sondern in verschiedene Richtungen divergieren.
Hauptverantwortlich für das teure Gesundheitswesen der Schweiz sind die föderalistischen Strukturen. Es gibt 26 kantonale Gesundheitsgesetze und die politische Überzeugung der Gesundheitsdirektoren wechselt alle vier Jahre bei den Neuwahlen. Eine zentrale Entscheidungsinstanz wäre wünschenswert und effizienter. Ausserdem sind die einzelnen Interessengruppen im Gesundheitswesen stark miteinander verflochten, was eine direkte Steuerung schwierig macht. Als Beispiel des Föderalismus werden die vielfältigen ethischen Komitees und die unterschiedlichen Regelungen zur Organspende (Transplantationsgesetz) genannt. Da für die Finanzierung zwischen Bund und Kantonen keine Steuerungsorgane vorhanden sind, führt dies in den Diskussionen immer wieder zu Auseinandersetzungen und gegenseitigen Beschuldigungen, beispielsweise bei der Spitalfinanzierung. Als Zukunftsvision sieht Trix Heberlein einen neuen Rahmenartikel für die Krankenversicherung, der mehr Wettbewerb erlaubt und die Zulassungsbeschränkungen für neue Ärzte aufhebt. In den Spitälern sollten mehr Marktmechanismen und Kostentransparenz zum Tragen kommen. Der Staat sollte auf rein ordnungspolitische Funktionen begrenzt werden.
Gemäss Umfragen ist die Schweizer Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem zufrieden, zahlt dafür jedoch einen sehr hohen Preis in Form von Prämien. Diskussionen in der Bevölkerung werden nur über den Preis geführt, vorzugsweise bei Vorstellung der Prämienveränderungen für das kommende Jahr, Diskussionen über die Ethik im Gesundheitswesen oder die Qualität finden leider in der Öffentlichkeit kaum statt. Die Kostendiskussion führt dazu, dass jeder den Hauptkostenverursacher bei den anderen Partnern sieht, was Innovationen verhindert. Gesundheitspolitiker auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene, Krankenkassenvertreter, Ärzte und Patientenorganisationen sind aufgefordert, gemeinsame Wege zu beschreiten.

Der Zulassungsprozess: Anforderungen und neue Trends

Prof. Samuel Vozeh von der Swissmedic Bern (Figure 2) stellte die Besonderheiten des Zulassungsverfahrens für Medikamente in der Schweiz dar und ging auf aktuelle Trends und Probleme ein. Bei einem Zulassungsantrag durch eine Pharmafirma wird in der Swissmedic ein «Case Team» gebildet, das die vorgelegten Daten auswertet und einen Evaluationsbericht erstellt. Dieser wird via erweitertes Begutachtungsverfahren mit externen Experten finalisiert und auf Abteilungsebene erneut diskutiert. Der resultierende Bericht wird dann an das medizinische Expertenkomitee weitergeleitet, dessen Bericht die Grundlage für den endgültigen Entscheid bildet. Dieses komplexe, mit mehreren Qualitätssicherungsschritten versehene Verfahren dauert ca. 200 Tage. Daneben gibt es diverse Spezialverfahren, beispielsweise für «Orphan drugs» oder das «Fasttrackverfahren», für letzteres ist die Voraussetzung ein zu erwartender hoher Nutzen bei einer sehr schweren Erkrankung. Durch das Spezialverfahren kann dann die Zulassungszeit auf durchschnittlich 130 Tage verringert werden.
Die grossen Zulassungsbehörden aus den USA, der EU und Japan bilden zusammen die ICH (International Conference on Harmonisation), die restlichen Länder beobachten die Verfahren dieser grossen drei Behörden. Die Schweiz ist hier ein Beobachter der EFTA. Das schweizerische Verfahren zeichnet sich durch folgende Besonderheiten aus: Es existiert kein «rolling review». Dies führt dazu, dass gute und vollständige Dossiers bei limitierten Ressourcen rasch bearbeitet, aber nur kleinere Defizite ausgeglichen werden können. Als neue Trends im Zulassungsprozess bezeichnete Vozeh die zunehmende Globalisierung, die Entwicklung von «orphan drugs» sowie sich rasch ändernde Lebenszyklen. Ausserdem werden weniger innovative Medikamente entwickelt.
Wissenschaftliche Fortschritte im Bereich der Medikamentenentwicklung führen zu einer erhöhten Komplexität des Systems. Die regulatorischen Anforderungen steigen für neue Medikamente und verlangen bessere Evidenz für «alte» Medikamente. Als Anreiz für die Industrie könnte sich Vozeh einen flexibleren Patentschutz vorstellen. So könnte der Patentschutz bei Vorlage von Langzeitstudien verlängert werden oder die Zulassung von Produkten aufgrund von Surrogat-Endpunkten könnte zu einer kürzeren Patentschutzzeit führen. In medizinischen Hochrisikogebieten könnte ein längerer Patentschutz angeboten werden. Bei «me-too»-Produkten sollte der Patentschutz verkürzt werden, um wirkliche Innovationen zu fördern.

Chancen und Risiken unter DRG – Erfahrungen in Deutschland

Dr. Andreas Tecklenburg von der Medizinischen Hochschule Hannover ist ein begeisterter Verfechter der Fallpauschalen, die er an seiner Klinik mit dem DRG-System (Diagnosis Related Groups [Diagnosebezogene Fallgruppen]) erfolgreich eingeführt hat. Während in den meisten Ländern die DRG zur Verteilung staatlicher oder versicherungsbezogener Budgets in den Spitälern verwendet werden, wurde in Deutschland das 2003 eingeführte DRG-System zu einem Fallpauschalensystem weiterentwickelt und wird seither zur Vergütung der einzelnen Krankenhausfälle verwendet. In diesem System werden medizinisch und ökonomisch gleiche Fälle unter einer DRG-Nummer zusammengefasst. Entscheidend ist dabei der gleiche ökonomische Aufwand. Ziel der DRG ist es, die Verweildauer der Patienten in den Spitälern zu senken, durch steigende Transparenz der Prozesse in Diagnostik und Therapie eine Kostensenkung herbeizuführen, den Qualitätswettbewerb zu stärken und ambulante Versorgungsformen zu fördern. Veränderungsmechanismen nach Einführung der DRG scheinen zu greifen, die Preise haben sich stabilisiert. Die «High-End»-Versorgungsbereiche und der Bereich der langliegenden Patienten konnte finanziell aufgewertet werden.
Das System hat aber auch Nachteile. Die ökonomische Abbildung der medizinisch und pflegerisch aufwendigen Patienten ist schlecht. Das System ist träge und Innovationen können nicht optimal eingearbeitet werden. Häufig ist die Kalkulationsgrundlage in den Spitälern ungenügend und die Anzahl der DRG war anfänglich nicht ausreichend. Sehr teure Therapien müssen durch so genannte Zusatzentgelte abgedeckt werden, ebenso entstehen Probleme bei der Übernahme von Patienten aus anderen Spitälern. Im Vorfeld der Einführung des DRG-Systems muss eine präzise Kostenkalkulation erstellt werden. Dies gelang der kardiologischen Fachgesellschaft (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie) in Deutschland hervorragend und führte zu positiven Erfahrungen.
Das DRG-System zwingt die Spitäler zu einer wirtschaftlichen Unternehmensführung. Sie müssen sich strategisch positionieren und ihre Prozesse optimieren. Die DRG führen zu erhöhter Transparenz und ermöglichen die Einführung der Deckungsbeitragsrechnung im Spital. Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird stark gefördert, die Verweildauer der Patienten im Spital sinkt. Die Umwandlung des Spitals in ein Unternehmen mündet in der stärkeren Positionierung auf dem Gesundheitsmarkt und führt zur Entwicklung von neuen Produkten. Die Spitäler gewinnen darüber hinaus eine Verhandlungskompetenz gegenüber den Kostenträgern.

Kostenbremse durch Generika?

Die Verordnung des differenzierten Selbstbehalts durch Bundesrat Couchepin im Januar 2006 hat gemäss Peter Marbet von Santésuisse (Figure 3) die Medikamentenpreise stark unter Druck gesetzt. Das Problem der hohen Medikamentenpreise wurde damit erkannt und ist im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen. Als Folge kam es zu freiwilligen Preissenkungen durch die Hersteller von Originalprodukten und zu einem starken Preiswettbewerb zwischen Originalpräparaten und verschiedenen Generika. Die Preise werden laufend nach unten angepasst. Weiteres Sparpotenzial sieht die Santésuisse im patentgeschützten Bereich im Vergleich mit dem Ausland. Der Länderkorb sollte konsequent umgesetzt und aus dem Preisvergleich mit dem Ausland Konsequenzen gezogen werden.

Breakout-Sessionen und gesundheitsphilosophische Betrachtungen

Auf die Referate folgten Breakout-Sessionen, in denen die Themen mit hochkarätigen Experten diskutiert wurden. Eine Session war der Forschung am Menschen gewidmet. Dabei wurde der neue Gesetzesentwurf zum Humanforschungsgesetz von Dolores Krapf, vom BAG, vorgestellt und mit Prof. Peter Suter (Figure 4), Präsident der SAMW, diskutiert.
Grossen Applaus erntete das abschliessende Gastreferat von Prof. Walther Zimmerli aus Wolfsburg über die gesellschaftspolitische Bedeutung der Gesundheit. Gemäss der Definition der Weltgesundheitsorganisation von 1946 ist Gesundheit ein Zustand vollständigen physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht einfach die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen. Diese Definition ist aber zu stark an Reparaturmustern der medizinisch-technischen Wiederherstellung eines Idealzustandes ausgerichtet. Die Ottawa-Charta von 1986 stellt fest: «Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt. Gesundheit entsteht dadurch, dass man für sich selbst und für andere sorgt. Gesundheitlichkeit und ökonomisches Denken sind Kernelemente bei der Entwicklung für Strategien zur Gesundheitsförderung.»
Zimmerli fasste zusammen, dass Gesundheit die Art ist, wie wir mit unseren Defekten umgehen können. Gesundheit ist nicht nur das Resultat von Reparatur, sondern auch das Resultat von Diätetik und Prävention. Gesundheit ist sowohl ein individueller Zustand als auch ein Zustand der Gesellschaft und der Wirtschaft, so ist die Gesundheitswirtschaft ein Treiber der zukünftigen Wirtschaftdynamik (Figure 5 and Figure 6).

Die Referenten der CARTA 06

Prof. Peter Buser, Universitätsspital Basel (PBuser@uhbs.ch)
Prof. Michele Genoni, Universitätsspital Zürich (michele.genoni@usz.ch)
Trix Heberlin, FDP-Ständerätin Zumikon
Dr. med. Peter Kleist, PFC Pharma Focus AG, Volketswil
Prof. Stephan Krähenbühl, Universitätsspital Basel (Kraehenbuehl@uhbs.ch)
Dolores Krapf, Bundesamt für Gesundheit, Bern
Prof. Thomas F. Lüscher, Universitätsspital Zürich (cardiotfl@gmx.ch)
Peter Marbet, Santésuisse, Solothurn
Albert Panzeri, Biotronik Schweiz AG, Baar (Albert.Panzeri@biotronik.com)
Prof. Walter F. Riesen, Kantonsspital St. Gallen (walter.riesen@ikch.ch)
Peter M. Suter, Schweiz. Akademie der Med. Wissenschaften, Basel
Dr. med. Andreas Tecklenburg, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
Prof. Samuel Vozeh, Swissmedic, Bern
Prof. Walther Zimmerli, Volkswagen AutoUni, Wolfsburg, Deutschland
Der «Cardiovascular Roundtable» (CARTA) wird von der Stiftung für Herzund Kreislaufforschung, der Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Zürich und von CardioVasc Suisse, Bern, organisiert.
Figure 1. Trix Heberlein, FDP-Ständerätin.
Figure 1. Trix Heberlein, FDP-Ständerätin.
Cardiovascmed 10 00038 g001
Figure 2. Prof. Samuel Vozeh, Swissmedic.
Figure 2. Prof. Samuel Vozeh, Swissmedic.
Cardiovascmed 10 00038 g002
Figure 3. Peter Marbet, Santésuisse.
Figure 3. Peter Marbet, Santésuisse.
Cardiovascmed 10 00038 g003
Figure 4. Prof. Peter M. Suter und Prof. Peter Buser.
Figure 4. Prof. Peter M. Suter und Prof. Peter Buser.
Cardiovascmed 10 00038 g004
Figure 5. Dr. Monika Jänicke und Prof. Georg Noll.
Figure 5. Dr. Monika Jänicke und Prof. Georg Noll.
Cardiovascmed 10 00038 g005
Figure 6. Vereinte Zuhörer aus Ärzteschaft und Industrie.
Figure 6. Vereinte Zuhörer aus Ärzteschaft und Industrie.
Cardiovascmed 10 00038 g006

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MDPI and ACS Style

Enseleit, F.; Lüscher, T.F.; Amstein, R. CARTA 06, 3. «Cardiovascular Roundtable». Cardiovasc. Med. 2007, 10, 38. https://doi.org/10.4414/cvm.2007.01226

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Enseleit F, Lüscher TF, Amstein R. CARTA 06, 3. «Cardiovascular Roundtable». Cardiovascular Medicine. 2007; 10(1):38. https://doi.org/10.4414/cvm.2007.01226

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Enseleit, Frank, Thomas F. Lüscher, and Ruth Amstein. 2007. "CARTA 06, 3. «Cardiovascular Roundtable»" Cardiovascular Medicine 10, no. 1: 38. https://doi.org/10.4414/cvm.2007.01226

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Enseleit, F., Lüscher, T. F., & Amstein, R. (2007). CARTA 06, 3. «Cardiovascular Roundtable». Cardiovascular Medicine, 10(1), 38. https://doi.org/10.4414/cvm.2007.01226

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