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Cardiovascular Medicine is published by MDPI from Volume 28 Issue 1 (2025). Previous articles were published by another publisher in Open Access under a CC-BY (or CC-BY-NC-ND) licence, and they are hosted by MDPI on mdpi.com as a courtesy and upon agreement with Editores Medicorum Helveticorum (EMH).
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Breitkomplextachykardie: Supraventrikulärer oder Ventrikulärer Ursprung?

by
Hildegard Tanner
*,
Nicola Schwick
,
Jens Seiler
and
Etienne Delacrétaz
Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Departement Herz und Gefässe, Universitätsklinik Inselspital, CH-3010 Bern, Switzerland
*
Author to whom correspondence should be addressed.
Cardiovasc. Med. 2006, 9(9), 324; https://doi.org/10.4414/cvm.2006.01198
Submission received: 29 June 2006 / Revised: 29 July 2006 / Accepted: 29 August 2006 / Published: 29 September 2006

Fallschreibung

Eine 79jährige Patientin wird nach einem Stolpersturz ohne Bewusstlosigkeit mit linksseitigen Rippenserienfrakturen hospitalisiert. Die Patientin hat eine bekannte koronare Herzkrankheit mit Status nach anteroseptalen Infarkt 1987 und 2facher AKB-Operation 1996. Wegen zunehmender Herzinsuffizienz wurde 2004 eine Koronarangiographie durchgeführt, die offene Bypässe und eine deutlich verminderte linksventrikuläre Auswurffraktion von 35% zeigte. Die medikamentöse Herzinsuffizienztherapie wurde ausgebaut. Abbildung 1 zeigt das Eintritts-EKG. Am 4. Hospitalisationstag fällt bei der Kontrolle der Vitalparameter eine regelmässige Tachykardie von 140/min auf, wobei die Patientin asymptomatisch ist (Figure 2).
(1.) Wie lautet Ihre Interpretation vom ersten EKG (Figure 1)?
(2.) Worum handelt es sich bei der dokumentierten Tachykardie, um eine supraventrikuläre oder eine ventrikuläre Tachykardie (Figure 2)?
Figure 1. 12-Ableitungs-EKG im Sinusrhythmus.
Figure 1. 12-Ableitungs-EKG im Sinusrhythmus.
Cardiovascmed 09 00324 g001
Figure 2. 12-Ableitungs-EKG bei Tachykardie (Details siehe Text).
Figure 2. 12-Ableitungs-EKG bei Tachykardie (Details siehe Text).
Cardiovascmed 09 00324 g002

Antworten

Zu (1.): Normokarder Sinusrhythmus mit AV-Block ersten Grades (PQ-Intervall 240 ms). Zudem besteht ein Rechtsschenkelblock, ein linksanteriorer Faszikelblock und Q-Zacken von V1 bis V4, vereinbar mit einem alten anteroseptalen Myokardinfarkt.
Zu (2.): Figure 2 zeigt eine regelmässige Breitkomplextachykardie mit einer Herzfrequenz von 139/min. Im Vergleich zum Eintritts-EKG findet sich eine unveränderte QRS-Achse mit überdrehter Linkslage und einem Rechtsschenkelblockbild. Auch die QRS-Dauer misst unverändert 140 ms. Als diskreter Unterschied besteht in Ableitung V5 und V6 ein QS-Komplex, während im Sinusrhythmus in diesen Ableitungen ein RS-Komplex vorhanden war.
Die gleiche QRS-Morphologie im Sinusrhythmus und bei der Tachykardie sind ein Hinweis für einen supraventrikulären Ursprung. Aber neben der koronaren Herzkrankheit ist im aktuellen Fall die AV-Überleitungsstörung mit einer PQ-Zeit von 240 ms bei Sinusrhythmus ein weiterer Hinweis, dass die Tachykardie eher ventrikulären Usprungs ist, und keine supraventrikuläre Tachykardie mit 1:1-AV-Überleitung vorliegt. Das einzig sichere Kriterium zur Unterscheidung ist die AV-Dissoziation, das heisst, die unabhängige elektrische Aktivierung von Vorhöfen und Kammern. Diese kann am besten in der Brustwandableitung V1 gesehen werden: die P-Welle ist unmittelbar vor dem 3. QRS-Komplex gut sichtbar, danach zwischen dem 4. und 5. QRS-Komplex, bzw. zwischen dem 6. und 7. QRS-Komplex (usw.). Die P-Wellen-Frequenz—in diesem Fall die Sinusknotenfrequenz—beträgt 75/min und ist unabhängig von der Kammerfrequenz von 139/min. Somit ist ein ventrikulärer Ursprung dieser Tachykardie bewiesen.

Kommentar

Eine Breitkomplextachykardie, die praktisch die gleiche QRS-Morphologie wie das Ruhe-EKG im Sinusrhythmus aufweist, kann einen supraventrikulären Ursprung haben [1]. Allerdings gibt es auch Berichte, dass in dieser Situation eine ventrikuläre Tachykardie vorliegen kann [2,3]. Die hämodynamische Stabilität ist für die Differentialdiagnose einer supraventrikulären oder ventrikulären Tachykardie nicht hilfreich.
Die häufigste Ursache (ca. 80%) einer Breitkomplextachykardie in der Allgemeinbevölkerung ist eine ventrikuläre Tachykardie [4]. Deutlich seltener sind supraventrikuläre Tachykardien mit Schenkelblock-Aberration (15–30%) oder Präexzitation bei akzessorischer Leitungsbahn (1–5%). Bei Vorhandensein einer koronaren Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz—wie im vorliegenden Fall—beträgt allerdings der positiv prädiktive Wert für eine ventrikuläre Tachykardie 95% [5]. Eine komplette AV-Dissoziation kann in 20– 50% der ventrikulären Tachykardien beobachtet werden [4,6,7]. Die AV-Dissoziation kann einfacher bei langsamen ventrikulären Tachykardien entdeckt werden, obwohl sie bei schnelleren Tachykardien häufiger ist, dann aber aufgrund der Überlagerung der P-Welle mit dem QRS-Komplex und der T-Welle schwieriger zu differenzieren ist.
Das beobachtete Phänomen, dass QRS-Breite und -Morphologie bei Sinusrhythmus und Tachykardie sehr ähnlich waren, lag bei unserer Patientin am septalen Ursprung der Tachykardie im Bereich des linksposterioren Faszikels. Eine faszikuläre linksventrikuläre Kammertachykardie und eine Bundle-Branch-Reentry-Tachykardie konnten in der elektrophysiologischen Untersuchung ausgeschlossen werden. Es handelte sich um eine narbenbedingte Reentry-Tachykardie, die medikamentös therapierefraktär war und deshalb mittels Radiofrequenzablation angegangen wurde.

References

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  3. Olshansky, B. Ventricular tachycardia masquerading as supraventricular tachycardia: A wolf in sheep’s clothing. J Electrocardiol 1988, 21, 377–384. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  4. Akhtar, M.; Shenasa, M.; Jazayeri, M.; Caceres, J.; Tchou, P.J. Wide QRS complex tachycardia. Reappraisal of a common clinical problem. Ann Intern Med 1988, 109, 905–912. [Google Scholar] [PubMed]
  5. Baerman, J.M.; Morady, F.; DiCarlo, L.A.; Jr de Buitleir, M. Differentiation of ventricular tachycardia from supraventricular tachycardia with aberration: Value of the clinical history. Ann Emerg Med 1987, 16, 40–43. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
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  7. Kremers, M.S.; Black, W.H.; Wells, P.J.; Solodyna, M. Effect of preexisting bundle branch block on the electrocardiographic diagnosis of ventricular tachycardia. Am J Cardiol 1988, 62, 1208–1212. [Google Scholar] [CrossRef]

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MDPI and ACS Style

Tanner, H.; Schwick, N.; Seiler, J.; Delacrétaz, E. Breitkomplextachykardie: Supraventrikulärer oder Ventrikulärer Ursprung? Cardiovasc. Med. 2006, 9, 324. https://doi.org/10.4414/cvm.2006.01198

AMA Style

Tanner H, Schwick N, Seiler J, Delacrétaz E. Breitkomplextachykardie: Supraventrikulärer oder Ventrikulärer Ursprung? Cardiovascular Medicine. 2006; 9(9):324. https://doi.org/10.4414/cvm.2006.01198

Chicago/Turabian Style

Tanner, Hildegard, Nicola Schwick, Jens Seiler, and Etienne Delacrétaz. 2006. "Breitkomplextachykardie: Supraventrikulärer oder Ventrikulärer Ursprung?" Cardiovascular Medicine 9, no. 9: 324. https://doi.org/10.4414/cvm.2006.01198

APA Style

Tanner, H., Schwick, N., Seiler, J., & Delacrétaz, E. (2006). Breitkomplextachykardie: Supraventrikulärer oder Ventrikulärer Ursprung? Cardiovascular Medicine, 9(9), 324. https://doi.org/10.4414/cvm.2006.01198

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