Die Medizin hat vor allem in den letzten 50 Jahren enorme Fortschritte aufzuweisen, welche die Behandlung und auch Prävention von verschiedenen Erkrankungen erheblich verbessert hat. In der Kardiologie konnten, insbesondere in den letzten 50 Jahren, enorme Fortschritte in der medikamentösen wie auch in der interventionellen Therapie von Herzund Kreislauferkrankungen verzeichnet werden.
Während vor 50 Jahren, als Roosevelt an einer schweren Hypertonie litt—und als Folge an einer tödlichen Hirnblutung verstarb—noch keine Antihypertensiva zur Verfügung standen, verfügen wir heute über 5 Medikamentenklassen mit über 60 verschiedenen Substanzen zur Blutdrucksenkung. Die antithrombotische Wirkung von Aspirin wurde erst in den 1960er Jahren erkannt und seit der Publikation der ISIS-II-Studie [
1] in den 1980er Jahren systematisch eingesetzt. Wirksame Cholesterin-Senker wie auch ACEHemmer bei der Herzinsuffizienz wurden in den letzten 20 Jahren verfügbar.
Die Möglichkeit der Ballon-Erweiterung von Koronarstenosen [
2,
3] ist seit 1977 verfügbar und hat sich seither stark weiterentwickelt. Die eigentliche Achillesferse der interventionellen Kardiologie war schon zu Beginn die Restenose, welche mit der Ballon-Dilatation alleine bei rund einem Drittel der Patienten auftrat. Mit der Einführung der Stents konnte dieses Problem vermindert werden, allerdings wiesen immer noch rund ein Fünftel der Patienten klinisch mehr oder weniger bedeutsame Narbenbildungen auf, welche bei einem erheblichen Teil zu Reinterventionen führten.
Alle diese Fortschritte hatten nicht nur zu einer deutlichen Verbesserung der Prävention und Behandlung von Patienten mit Herzund Kreislauferkrankungen geführt, sondern auch die Gesundheitskosten stark in die Höhe getrieben. Immerhin leidet die Hälfte der Bevölkerung an diesen Krankheiten. Weitere Fortschritte der medizinischen Forschung werden daher heute sehr viel stärker als früher auch unter dem Aspekt der Kosteneffizienz betrachtet. Die Drug-Eluting-Stents, welche eine Revolution im Bereiche der interventionellen Kardiologie darstellen und die Stenoserate auf unter 10% vermindert haben, sind hier ein besonders interessantes Beispiel. In der Tat kosten die neuen Drug-Eluting-Stents in etwa 2,5–3mal mehr als die bisherigen konventionellen Bare-Metal-Stents. Dies hat in verschiedenen Ländern zu einer starken Restriktion in der Verwendung dieser neuen Möglichkeiten geführt. So wurden anfänglich in Deutschland diese neuen Stents bei weniger als 10% der Patienten eingesetzt und auch heute werden sie in den meisten Institutionen bei weniger als einem Drittel der Interventionen verwendet. Andere Länder wie die USA haben einen ausgedehnteren Gebrauch dieser neuen Stents gemacht.
Mit Schreiben vom Oktober 2003 hat die Eidgenössische Leistungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie in der Person ihres damaligen Präsidenten aufgefordert, dem Bundsamt für Sozialversicherung eine ausgedehnte Dokumentation zu den Nutzen und Kosten der neuen Drug-ElutingStents in der interventionellen Kardiologie einzureichen. Die ausgedehnte Dokumentation mit allen Unterlagen, inklusive einer Kosten-Nutzen-Analyse wurde im Juni 2004 fertiggestellt und im Oktober des letzten Jahres durch die Eidgenössische Leistungskommission positiv beurteilt. Mit der Unterschrift von Bundesrat Pascal Couchepin im Dezember 2004 wurden somit die Drug-ElutingStents ohne Restriktionen in der Schweiz kassenzulässig. Diese Pionier-Entscheidung der Schweiz war nicht selbstverständlich. In der Tat sind die zusätzlichen Kosten durch die Verwendung dieser neuen Stents in der Schweiz pro Jahr mit etwa 21 Mio. CHF veranschlagt worden. Entsprechend war eine genaue Analyse des klinischen Nutzens dieser neuen Stents sowie ihre Kosten erforderlich. Eine detaillierte Analyse wurde von verschiedenen Experten durchgeführt und wird in einer ausgedehnten Version in diesem Heft der Kardiovaskulären Medizin publiziert [
4]. Die Analyse zeigt, dass auch sehr teure Innovationen, wenn sie mit erheblichen klinischen Vorteilen assoziiert sind, kostengünstig in die klinische Praxis eingeführt werden können. In der Tat sind zwar die neuen Drug-Eluting-Stents ein stark kostentreibender Faktor, andererseits werden durch ihre Verwendung zahlreiche Reinterventionen verhindert, können Patienten, welche früher operiert wurden, perkutan und damit kostengünstiger behandelt und die teuren Bypass-Operationen in ihrer Zahl wahrscheinlich reduziert werden.
Die verschiedenen Aspekte dieser KostenNutzen-Analyse wurden in drei Szenarien berechnet, wobei die Einführung der DrugEluting-Stents insgesamt als nicht kostentreibend betrachtet werden kann, ja wir können davon ausgehen, dass damit sogar Kosten eingespart werden können. Über deren Ausmass wird allerdings erst die Zukunft definitive Informationen liefern. In der Tat wird sich erweisen müssen, bis zu welchem Grad durch die beeindruckenden Möglichkeiten der DrugEluting-Stents die Anzahl der Bypass-Operationen in der Schweiz zurückgehen wird.
Andere neue Interventionen, wie zum Beispiel die perkutane Ablation des Vorhofflimmerns, sind ebenfalls relativ teure Eingriffe, welche möglicherweise in Zukunft bei einer grossen Anzahl von Patientin mit dieser Erkrankung Verwendung finden werden. Zurzeit ist diese Therapie nur an wenigen Zentren verfügbar und befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Dennoch lässt sich bereits jetzt sagen, dass trotz der Verwendung teurer Ablationskatheter und einer Hospitalisation, zumindest in Einzelfällen, eine lebenslange Medikation und damit doch erhebliche Medikamentenkosten vermieden werden können. Der Zeitpunkt für eine genaue Kosten-NutzenAnalyse ist noch zu früh, immerhin aber lässt sich bereits jetzt eine Zwischenbilanz ziehen, wie sie in diesem Heft der Kardiovaskulären Medizin präsentiert wird [
5].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Medizin heute wie noch nie sowohl klinisch als auch ökonomisch evaluierbar geworden ist und wir entsprechend über beeindruckende Daten zu ihrer Wirksamkeit und ihren Kosten verfügen, welche es uns erlauben sollten, rationale wie auch rationell begründbare Entscheidungen in unserem klinischen Alltag zu fällen.