Next Article in Journal
Right Bundle Branch Block or Brugada Syndrome?
Previous Article in Journal
Echokardiographie bei Kardialer Resynchronisationstherapie
 
 
Cardiovascular Medicine is published by MDPI from Volume 28 Issue 1 (2025). Previous articles were published by another publisher in Open Access under a CC-BY (or CC-BY-NC-ND) licence, and they are hosted by MDPI on mdpi.com as a courtesy and upon agreement with Editores Medicorum Helveticorum (EMH).
Font Type:
Arial Georgia Verdana
Font Size:
Aa Aa Aa
Line Spacing:
Column Width:
Background:
Editorial

Schokolade: Genuss- Oder Heilmittel?

by
Roberto Corti
and
Thomas F. Lüscher
*
HerzKreislaufZentrum, Kardiologie, UniversitätsSpital Zürich, Zurich, Switzerland
*
Author to whom correspondence should be addressed.
Cardiovasc. Med. 2005, 8(11), 385; https://doi.org/10.4414/cvm.2005.01135
Submission received: 30 August 2005 / Revised: 30 September 2005 / Accepted: 30 October 2005 / Published: 30 November 2005
Dass es sich bei der Schokolade um ein Ge- nussmittel, ja um eine Sünde wider die Gesundheit handelt, ist inzwischen Allgemeingut geworden (Figure 1). Die süsse Verführung hat sich sowohl in der Zahnheilkunde als auch in der Medizin einen schlechten Namen gemacht und wurde für Karies, Übergewicht und dessen Folgen wie Bluthochdruck und die Zuckerkrankheit verantwortlich gemacht.
Entsprechend scheint es selbstverständlich, dass ein verantwortungsvoller Arzt seine Patienten vor dem Genuss von Schokolade warnt. Seit kurzem scheint die süsse Sünde wieder auf dem Weg zu ihrer Rehabilitierung: Zunächst haben Chemiker in diesem Nahrungsmittel interessante Substanzen entdeckt, so insbesondere Flavanoide, d.h. natürliche Antioxidatien [1,2]. Seit sich der oxidative Stress zu einem wichtigen Faktor für die Organalterung wie auch Entstehung der Gefässverkalkung und ihrer Folgen etabliert hat [3], wurde das verpönte Genussmittel plötzlich auf mögliche medizinische Wirkungen hin untersucht. So haben verschiedene Gruppen zeigen können, dass schwarze, jedoch nicht weisse Schokolade bei Gesunden als auch bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren die Endothel-abhängigen Relaxationen zumindest in der Vorderarmzirkulation verbessern und die Aktivierung der Thrombozyten hemmen (Figure 2) [4,5]. Dazu kam kürzlich noch eine weitere Überraschung: Eine italienische Forschungsgruppe konnte zeigen, dass—entgegen der bisherigen ärztlichen Wahrnehmung—schwarze Schokolade die Glukosetoleranz bei Gesunden [6] und bei Hypertonikern [6] sogar verbessert und zu einer Erhöhung der Insulin-Sensitivität führt (Figure 3). Ist nun das Genussmittel, von dem alle Ärzte warnen, plötzlich ein Heilmittel?
Unterstützung in dieser Sache kam noch von anderer Seite: Norman Hollenberg, ein ungewöhnlicher Harvard-Professor, war auf der Suche nach einem Ort, wo er sein Sabbatical erleben konnte. Dass er dabei nicht Stanford oder eine andere bekannte Universität wählte, sondern die Kuna-Indianer besuchte, welche auf kleinen Inseln vor der Ostküste von Panama leben, war keineswegs Zufall. So war es bekannt, dass die Kuna-Indianer zu einer der wenigen Kulturen gehören, welche keinen hohen Blutdruck entwickeln [7]. Hollenberg nahm sich vor, der Sache nachzugehen und studierte das Ernährungsverhalten dieser Indianer. Dabei zeigte sich, dass die Indianer täglich enorme Mengen Cocoa—zu seiner Überraschung meist mit Salz angereicht—zu sich nahmen (Figure 4). Dennoch bestätigten die klinischen Untersuchungen, dass dieser Indianerstamm insgesamt tiefe Blutdruckwerte aufwies, vor allem einen altersabhängigen Anstieg des systolischen Blutdrucks sowie keinen Abfall der Nierenfunktion zeigte [8]. Die während der gesamten Lebensspanne anhaltend tiefen Blutdruckwerte und gute Nierenfunktion wies auf eine Überaktivierung eines gefässerweiternden Systems hin. Deshalb konzentrierten sich die weiteren Forschungsarbeiten auf das neuentdeckte L-Arginin/Nitric-Oxide-System, welches den potentesten endogenen Vasodilatatoren im Körper produziert. Die Untersuchungen des 24-Stunden-Urins bei diesen Indianern bestätigten hohe Werte von NO2 und NO3, den Abbauprodukten von Nitric Oxide. Dass die Cocoa-Pflanze zahlreiche Antioxidantien, so insbesondere Flavanoide wie Epicatechin und Catechin, aufwies, rundete die Forschungsergebnisse ab (Figure 5) [9]. Die Isolierung dieser Substanzen und ihre direkte Verwendung zunächst im Labor an isolierten Zellen wie Thrombozyten, Endothelzellen u.a.m. sowie anschliessend auch bei Probanden und Patienten bestätigten die Annahme, dass ein hoher Konsum dieser natürlichen Antioxidantien bei diesen Indianern die Gefäss- und Thrombozytenfunktion und somit den Blutdruck für die Nierenfunktion im Normalbereich hielten. Weitere Untersuchungen mit isolierten Flavanoiden bestätigten die gefässschützende Wirkung dieser Substanzen und führten zur Herstellung neuer Flavanoidangereicherten Schokoladen.
Doch zurück zur Geschichte der Schokolade: Cocoa wurde ursprünglich von den Inka als Getränk der Götter verehrt und auch in religiösen Zeremonien verwendet. Nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus liessen sich auch die Europäer von diesem Genussmittel verführen. Francois-Louis Cailler hatte 1819 die erste Fabrik in der Schweiz in eröffnet. Bei der Herstellung der Schokolade in ihrer heutigen Form spielte die Schweiz und dabei vor allem Daniel Peter aus Vevey (welcher in 1876 die Milchschokolade herstellte), Rodolphe Lindt aus Bern (welcher die Fondant-Schokolade entwickelte und später mit David Sprüngli zusammenarbeitete) sowie Jean Tobler, Philip Suchard und Henri Nestle (welche alle Schokoladen-Fabriken gründeten) eine entscheidende Rolle, ja, das Produkt wurde zu einem eigentlichen Markenzeichen unseres Landes. Bald zeigte sich, dass die schwarze, jedoch nicht die weisse Schokolade sich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden, ja, dass die Prozessierung des Produktes insgesamt darüber entscheidet, wieviel von den natürlichen Antioxidantien während der Herstellung erhalten bleiben. Hat dieses Wissen das Genussmittel zum Heilmittel gemacht? Gewiss, die Kalorien bleiben ein Problem, vor allem in einer von Übergewicht bedrohten Gesellschaft wie der unseren. Die Entdeckung natürlicher Antioxidantien in unserer Nahrung und ihre Charakterisierung eröffnet uns aber doch die Möglichkeit, nicht nur mit Medikamenten, sondern auch mit Naturprodukten präventiv zu wirken [10].

References

  1. Bravo, L. Polyphenols: Chemistry, dietary sources, metabolism, and nutritional significance. Nutr Rev 1998, 56, 317–333. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  2. Manach, C.; Scalbert, A.; Morand, C.; Remesy, C.; Jimenez, L. Polyphenols: Food sources and bioavailability. Am J Clin Nutr 2004, 79, 727–747. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  3. van der Loo, B.; Labugger, R.; Skepper, J.N.; Bachschmid, M.; Kilo, J.; Powell, J.M.; Palacios-Callender, M.; Erusalimsky, J.D.; Quaschning, T.; Malinski, T.; Gygi, D.; Ullrich, V.; Luscher, TF. Enhanced peroxynitrite formation is associated with vascular aging. J Exp Med 2000, 192, 1731–1744. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  4. Hermann, F.; Spieker, L.E.; Ruschitzka, F.; Sudano, I.; Hermann, M.; Binggeli, C.; Lüscher, T.F.; Riesen, W.; Noll, G.; Corti, R. Dark chocolate improves endothelial and platelet function. Heart 2005, in press. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  5. Heiss, C.; Dejam, A.; Kleinbongard, P.; Schewe, T.; Sies, H.; Kelm, M. Vascular effects of cocoa rich in flavan-3–ols. JAMA 2003, 290, 1030–1031. [Google Scholar]
  6. Grassi, D.; Lippi, C.; Necozione, S.; Desideri, G.; Ferri, C. Shortterm administration of dark chocolate is followed by a significant increase in insulin sensitivity and a decrease in blood pressure in healthy persons. Am J Clin Nutr 2005, 81, 611–614. [Google Scholar] [CrossRef]
  7. Hollenberg, N.K.; Martinez, G.; McCullough, M.; Meinking, T.; Passan, D.; Preston, M.; Rivera, A.; Taplin, D.; Vicaria-Clement, M. Aging, acculturation, salt intake, and hypertension in the Kuna of Panama. Hypertension 1997, 29, 171–176. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  8. Hollenberg, N.K.; Rivera, A.; Meinking, T.; Martinez, G.; McCullough, M.; Passan, D.; Preston, M.; Taplin, D.; Vicaria-Clement, M. Age, renal perfusion and function in island-dwelling indigenous Kuna Amerinds of Panama. Nephron 1999, 82, 131–138. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  9. Fisher, N.D.; Hughes, M.; Gerhard-Herman, M.; Hollenberg, N.K. Flavanol-rich cocoa induces nitric-oxide-dependent vasodilation in healthy humans. J Hypertens 2003, 21, 2281–2286. [Google Scholar] [CrossRef]
  10. Hermann, F.; Ruschitzka, F.; Spieker, L.E.; Sudano, I.; Noll, G.; Corti, R. The sweet secret of dark chocolate. Therapeutische Umschau 2005, 62, 635–637. [Google Scholar] [CrossRef]
Figure 1. Schokolade, ein weltweit verbreitetes Genussmittel.
Figure 1. Schokolade, ein weltweit verbreitetes Genussmittel.
Cardiovascmed 08 00385 g001
Figure 2. Wirkung von Schokolade auf die Endothelfunktion (links) und Plättchenfunktion (rechts): Schwarze, aber nicht weisse Schokolade zeigt eine gegenüber der Fluss-induzierten Gefässerweiterung (flow-mediated dilation [FMD]: weisse Balken) zu Beginn des Versuchs signifikante Zunahme der Endothelfunktion und Abnahme der Plättchenadhäsion 2 Stunden nach Einnahme (schwarze Balken).
Figure 2. Wirkung von Schokolade auf die Endothelfunktion (links) und Plättchenfunktion (rechts): Schwarze, aber nicht weisse Schokolade zeigt eine gegenüber der Fluss-induzierten Gefässerweiterung (flow-mediated dilation [FMD]: weisse Balken) zu Beginn des Versuchs signifikante Zunahme der Endothelfunktion und Abnahme der Plättchenadhäsion 2 Stunden nach Einnahme (schwarze Balken).
Cardiovascmed 08 00385 g002
Figure 3. Wirkung von Schokolade auf die Insulin-Sensitivität: Schwarze (links), aber nicht weisse (rechts) Schokolade zeigt eine signifikante Zunahme der Insulin-Sensitivität (modifiziert nach [6]).
Figure 3. Wirkung von Schokolade auf die Insulin-Sensitivität: Schwarze (links), aber nicht weisse (rechts) Schokolade zeigt eine signifikante Zunahme der Insulin-Sensitivität (modifiziert nach [6]).
Cardiovascmed 08 00385 g003
Figure 4. Der Schokoladenbaum (links) mit seinen reifen gelb-roten Früchten: Jede Frucht enthält mehrere Schokoladenbohnen (rechts oben), die für die Kakaoherstellung gebraucht werden.
Figure 4. Der Schokoladenbaum (links) mit seinen reifen gelb-roten Früchten: Jede Frucht enthält mehrere Schokoladenbohnen (rechts oben), die für die Kakaoherstellung gebraucht werden.
Cardiovascmed 08 00385 g004
Figure 5. Chemische Struktur der wichtigen Flavanoide und Proantocyanidine, welche in Schokolade enthalten sind.
Figure 5. Chemische Struktur der wichtigen Flavanoide und Proantocyanidine, welche in Schokolade enthalten sind.
Cardiovascmed 08 00385 g005

Share and Cite

MDPI and ACS Style

Corti, R.; Lüscher, T.F. Schokolade: Genuss- Oder Heilmittel? Cardiovasc. Med. 2005, 8, 385. https://doi.org/10.4414/cvm.2005.01135

AMA Style

Corti R, Lüscher TF. Schokolade: Genuss- Oder Heilmittel? Cardiovascular Medicine. 2005; 8(11):385. https://doi.org/10.4414/cvm.2005.01135

Chicago/Turabian Style

Corti, Roberto, and Thomas F. Lüscher. 2005. "Schokolade: Genuss- Oder Heilmittel?" Cardiovascular Medicine 8, no. 11: 385. https://doi.org/10.4414/cvm.2005.01135

APA Style

Corti, R., & Lüscher, T. F. (2005). Schokolade: Genuss- Oder Heilmittel? Cardiovascular Medicine, 8(11), 385. https://doi.org/10.4414/cvm.2005.01135

Article Metrics

Back to TopTop