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Review

EKG bei akuten Koronarsyndromen

HerzKlinik Hirslanden, Zürich, Switzerland
Cardiovasc. Med. 2015, 18(5), 163; https://doi.org/10.4414/cvm.2015.00321 (registering DOI)
Submission received: 27 February 2015 / Revised: 27 March 2015 / Accepted: 27 April 2015 / Published: 27 May 2015

Abstract

Electrocardiogram during acute coronary syndromes. The electrocardiogram (ECG) has a key role in the diagnosis and management of acute coronary syndrome (ACS). Besides recognising typical ECG patterns, we should be aware of atypical presentations. There is a broad range of different explanations for repolarisation changes without the presence of ACS. Prehospital-ECGs have a direct impact on the processes of care and mortality in ACS.

Einleitung

Das Elektrokardiogramm (EKG) ist ein essentieller Bestandteil der kardialen Basisdiagnostik für Grundversorger, Notärzte/Rettungssanitäter und Spezialisten. Es ist breit verfügbar, unkompliziert in der technischen Handhabung und schon mit wenigen Grundkenntnissen einfach zu interpretieren. Neben der Diagnostik von Rhythmusstörungen und Hinweisen auf strukturelle Pathologien kann das EKG auch mehr oder weniger spezifische Zeichen für koronarischämische Situationen zeigen. Bereits vor fast 100 Jahren beobachtete Fred Smith in Chicago dynamische elektrokardiographische Repolarisationsstörungen anlässlich experimenteller Koronarligatur bei Hunden [1]. 1920 publizierte Harold Ensign Bennet Pardee (1886–1973) erstmalig den typischen elektrokardiographischen Infarktablauf bei Herzinfarktpatienten [2]. Er beschreibt schon damals transiente ST-Hebungen aus dem absteigenden Teil der R-Zacke während der Akutphase eines kompletten Koronarverschlusses (später bekannt als «Pardee’s Sign») mit nachfolgender T-Wellen-Inversion und ST-Segmentverkürzung in der subakuten Phase (Abb. 1).
Trotz eindrücklichen Fortschritten in den letzten Jahrzehnten sind akute koronare Syndrome noch immer Krankheitsbilder, welche substantiell zur Mortalität (und Morbidität) der Schweizerischen Gesamtbevölkerung beitragen [3]. Das EKG hat in der heutigen Diagnostik der akuten Koronarsyndrome (ACS) nach wie vor eine zentrale Bedeutung mit direktem Einfluss auf die Wahl der Therapiestrategie. Klinisch hat sich entsprechend eine elektrokardiographische ACSEinteilung in ST-Hebungsmyokardinfarkt (STEMI) und Nicht-ST-Hebungsmyokardinfarkt (NSTEMI) bewährt. Beim STEMI mit akuten ST-Hebungen ist eine sofortige Reperfusionstherapie indiziert [4]. Beim NSTEMI sind die EKG-Veränderungen unspezifisch (ST-Senkungen,T-Inversionen) und häufig dynamisch. Da empfiehlt sich meist eine weitere Risikostratifizierung aufgrund Klinik, Laborbefunden und allgemeinen Risikoscores [5]. Es gibt eine differentialdiagnostische Vielzahl von Repolarisationsstörungen, welche nicht koronar-ischämisch bedingt sind (Table 1).

ST-Hebungen

Elektrokardiographische ST-Hebungen sind nicht ACS-spezifisch. So hatten beispielsweise 123 Patienten mit Thoraxschmerzen und einer ST-Hebung ≥0,1 mV nur in 48% der Fälle tatsächlich einen Herzinfarkt [6]. Die übrigen falsch-positiven Patienten zeigten Linksschenkelblockbilder oder es bestand eine linksventrikuläre Hypertrophie.
Abbildung 1. Klassischer Infarktablauf.
Abbildung 1. Klassischer Infarktablauf.
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Ein STEMI ist in aktuellen Richtlinien [4] definiert als akute Hebungen der ST-Strecke (am J-Punkt) in mindestens zwei zueinander passenden Ableitungen von ≥0,1 mV. In den Ableitungen V2–V3 gelten andere diagnostische Grenzwerte: ≥0,25 mV bei Männern <40 Jahren, ≥0,2 mV bei Männern <40 Jahren und ≥0,15 mV bei Frauen. Diese Kriterien gelten nicht beim Linksschenkelblock (LSB) und der linksventrikulären Hypertrophie. Eine isolierte ST-Hebung (auch <0,1 mV) in aVL oder I kann diagnostisch für einen akuten Verschluss einer Seitenwandarterie (z.B. Diagonalast) sein. Bei inferioren Infarkten wird empfohlen, zusätzlich rechtspräkordiale Ableitungen (V3R und V4R) zu erfassen, um eine (prognostisch ungünstige [7]) Rechtsherzbeteiligung zu diagnostizieren (diagnostische Grenzwerte: >0,05 mV bzw. >0,1 mV bei Männern <30 Jahren). Zudem können zusätzliche (posteriore) Thoraxwandableitungen V7–V9 helfen, das Ausmass der akuten Ischämie abzuschätzen (z.B. bei Okklusion eines dominanten Ramus circumflexus [RCX] oder einer dominanten Arteria coronaria dextra [RCA]).
Differentialdiagnostisch kommen bei elektrokardiographischen ST-Hebungen verschiedene nicht akutkoronar bedingte Grunderkrankungen in Frage—sowohl bei chronischen ST-Hebungen (z.B. linksventrikuläres Aneurysma, LSB, linksventrikuläre Hypertrophie, Schrittmacherstimulation, hypertrophe Kardiomyopathie, frühe Repolarisation / Normalvarianten usw.) wie auch bei transienten ST-Hebungen (z.B. Peri[myo]karditis, Lungenembolie, Elektrolytstörungen, Subarachnoidalblutung/Hirnschlag usw.).

ST-Senkungen

ST-Senkungen im Rahmen eines ACS können nicht nur diagnostisch sein, deren Ausmass korreliert auch mit der Prognose [8,9]. So konnte bei über 2000 Patienten mit NSTEMI gezeigt werden, dass Patienten mit ≥0,1 mV bzw. ≥0,2 mV ST-Senkungen ein fast 4-bzw. 6-fach höheres Jahres-Mortalitätsrisiko als Patienten ohne ST-Senkungen hatten [10].
Elektrokardiographische ST-Senkungen sind nicht ACSspezifisch, die Differentialdiagnose von fixierten (z.B. bei LSB, linksventrikuläre Hypertrophie, Schrittmacherstimulation, hypertrophe Kardiomyopathie usw.) und dynamischen ST-Senkungen (z.B. Peri(myo)karditis, Lungenembolie, Elektrolytstörungen, hypertensive Krise, Digoxinmedikation usw.) ist breit.
Abbildung 2. Wellens-Zeichen bei kritischer proximaler RIVA-Stenose mit tiefen T-Negativierungen anterior. (Aus: Stephan F, Kühne M. Wellens-Zeichen im EKG. Cardiovascular Medicine. 2013;16(05):155–6, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.)
Abbildung 2. Wellens-Zeichen bei kritischer proximaler RIVA-Stenose mit tiefen T-Negativierungen anterior. (Aus: Stephan F, Kühne M. Wellens-Zeichen im EKG. Cardiovascular Medicine. 2013;16(05):155–6, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.)
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Abbildung 3. Verteilungsmuster und Ausmass von T-Inversionen bei ACS, Tako-Tsubo- Kardiomyopathie (TC) und akuter Lungenembolie (APE). (Aus: Kosuge M, Ebina T, Hibi K, Tsukahara K, Iwahashi N, Gohbara M, et al. Differences in negative T waves among acute coronary syndrome, acute pulmonary embolism, and Takotsubo cardiomyopathy. Eur Heart J Acute Cardiovasc Care. 2012;1:349–57. © SAGE Publications, 2012. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von SAGE.)
Abbildung 3. Verteilungsmuster und Ausmass von T-Inversionen bei ACS, Tako-Tsubo- Kardiomyopathie (TC) und akuter Lungenembolie (APE). (Aus: Kosuge M, Ebina T, Hibi K, Tsukahara K, Iwahashi N, Gohbara M, et al. Differences in negative T waves among acute coronary syndrome, acute pulmonary embolism, and Takotsubo cardiomyopathy. Eur Heart J Acute Cardiovasc Care. 2012;1:349–57. © SAGE Publications, 2012. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von SAGE.)
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T-Inversionen

Dynamische T-Inversionen in den anterioren präkordialen Ableitungen können hinweisend für eine kritische proximale Ramus-interventricularis-anterior (RIVA)-Stenose sein (Abb. 2) [11]. So beschrieben Hein J.J. Wellens und Kollegen 1982 erstmalig eine Serie von Patienten mit instabiler Angina pectoris / intermittierenden Thoraxschmerzen und negativen kardialen Nekrosemarkern und progressiven steil invertierten negativen T-Wellen in V2/3 ohne R-Verlust und ohne relevante ST-Hebungen bei signifikanter proximaler RIVA-Läsion («Wellens Sign»). Dabei zeigten 59% der Patienten einen kompletten oder subtotalen Verschluss [12]. Sensitivität bzw. Spezifität dieser spezifischen EKG-Veränderungen für das Vorliegen einer ≥70%igen RIVA-Stenose wird mit 69% bzw. 89% angegeben (positiv prädiktiver Wert [PPV] 86%) [13]. Es wurden auch eine «Pseudonormalisierung» der T-Negativierungen während pektanginöser Symptome beschrieben, die sich bei Beschwerdefreiheit wieder demaskierten [14]. Zudem sind die in Abbildung 2 ersichtlichen T-Inversionen in den Ableitung I, aVL und II typisch für eine proximale RIVA-Läsion (z.B. vor dem Abgang des ersten Diagonalastes).
Allerdings sind T-Inversionen nicht immer koronarischämisch bedingt, sondern kommen auch bei verschiedenen anderen klinischen Situationen vor. Eine kürzliche Arbeit untersuchte das Verteilungsmuster und Ausmass von T-Inversionen bei ACS, Tako-tsubokardiomyopathie und akuter Lungenembolie [15]. Dabei zeigten sich bei ACS v.a. T-Inversionen in den präkordialen Ableitungen sowie in I und aVL. Bei der akuten Lungenembolie wurden T-Inversionen in den rechtspräkordialen Ableitungen (V1–V3) sowie in III und aVF abgeleitet, während bei der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie T-Inversion häufig gleichzeitig in fast allen Ableitungen beobachtet werden können (Abb. 3).
Abbildung 4. EKG bei kritischer Hauptstammstenose. (Aus: Isbary M, Schreen C, Christen S. Aschenputtel. Cardiovascular Medicine. 2011;14(05):165–166. EMH Media. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.)
Abbildung 4. EKG bei kritischer Hauptstammstenose. (Aus: Isbary M, Schreen C, Christen S. Aschenputtel. Cardiovascular Medicine. 2011;14(05):165–166. EMH Media. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.)
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Abbildung 5. Akuter Vorderwandinfarkt bei ventrikulär stimuliertem EKG. Akuter proximaler RIVA-Verschluss bei einem Patienten mit Schrittmacher-EKG: Dieses EKG-Beispiel zeigt in den ventrikulär stimulierten QRS-Komplexen deutliche (>0,5 mV) zum QRS-Komplex diskordante ST-Hebungen in den Brustwandableitungen (Sgarbossa-Kriterium). Zudem sind in den nicht-schrittmacherstimulierten QRS-Komplexen infarkttypische ST-Hebungen in den Brustwandableitungen und aVL ersichtlich.
Abbildung 5. Akuter Vorderwandinfarkt bei ventrikulär stimuliertem EKG. Akuter proximaler RIVA-Verschluss bei einem Patienten mit Schrittmacher-EKG: Dieses EKG-Beispiel zeigt in den ventrikulär stimulierten QRS-Komplexen deutliche (>0,5 mV) zum QRS-Komplex diskordante ST-Hebungen in den Brustwandableitungen (Sgarbossa-Kriterium). Zudem sind in den nicht-schrittmacherstimulierten QRS-Komplexen infarkttypische ST-Hebungen in den Brustwandableitungen und aVL ersichtlich.
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Atypische EKG-Präsentationen

Verschiedene klinische Szenarien mit atypischen EKG-Präsentationen sind heutzutage bekannt und bedürfen vermehrter Aufmerksamkeit in der akuten Präsentation.

ST-Hebungen in aVR

Ischämische Symptome aufgrund einer hochgradigen Stenosierung des Hauptstamms (prognostisch sehr ungünstig) manifestieren sich elektrokardiographisch unter Umständen als ST-Hebung in aVR (Ischämie RIVA und RCX) in Kombination mit zusätzlichen Kriterien: ST-Hebung in V1 (weniger als in aVR), ST-Senkung in II und aVF (basale Ischämie), ST-Senkung präkordial V2–V6 (posteriore Ischämie, globalischämisches Zeichen), ST-Senkung V6 > ST-Hebung V1, Rechtsschenkelblock (RSB) mit oder ohne Hemiblock.
Dieses spezielle EKG-Muster (Abb. 4) [16] ist allerdings wenig spezifisch. Eine kürzliche Serie von Patienten mit diesem EKG-Muster zeigte nur bei 23% der Fälle einer hochgradige Hauptstammstenose bzw. ein angiographisches Hauptstammäquivalent, während bei 26% der Fälle keine signifikante koronare Herzkrankheit vorlag [17]. Der positiv-prädiktive Wert konnte auch nach Ausschluss von Patienten mit intraventrikulären Leitungsstörungen, linksventrikulärer Hypertrophie oder dynamischen Veränderungen nicht verbessert werden.

ST-Senkungen in V1–V3

Akute ST-Senkungen in V1–V3 können spiegelbildlich betrachtet die typische ST-Hebungsmorphologie zeigen. Besonders bei terminal positiver T-Welle kann dies für eine posteriore Ischämie hinweisend sein. Hier wird zur Bestätigung empfohlen, in zusätzlichen (posterioren) Ableitungen V7–V9 ST-Hebungen >0,05 mV (oder ≥0,1 mV) zu suchen.

Ischämische Symptome ohne diagnostische EKG-Veränderungen

In der Frühphase eines Koronarverschlusses können ST-Hebungen noch fehlen, erste EKG-Veränderungen sind hohe und spitze T-Wellen. Beim akuten Verschluss des Ramus circumflexus (RCX) kann ein übliches 12-Ableitungs-EKG trotz transmuraler Ischämie normal sein. Bei klinischem Verdacht empfiehlt sich hier, in zusätzlichen (posterioren) Ableitungen V7–V9 ST-Hebungen zu suchen oder die Therapiestrategie direkt aufgrund der klinischen Situation zu wählen.

Neuaufgetretener Linksschenkelblock (LSB)

Ein neuaufgetretener LSB kann hinweisend für eine Hauptstamm-/proximale RIVA-Läsion sein. Ein neuaufgetretener LSB gilt grundsätzlich als STEMI-Äquivalent, häufig sind im klinischen Alltag aber keine Vorinformationen verfügbar/bekannt. Hier sollte aufgrund der klinischen Einschätzung und differentialdiagnostischen Überlegungen entschieden werden.

Bekannter Linksschenkelblock / ventrikuläre Schrittmacherstimulation

Zur STEMI-Identifikation wurden verschiedene Algorithmen vorgeschlagen. Sgarbossa und Kollegen beschrieben differenzierte Kriterien zur STEMI-Identifikation [18], vorgängig wurden ähnliche Kriterien bei Patienten mit ventrikulär stimulierten Schrittmacherrhythmen publiziert [19]. Ein sehr spezifisches Kriterium scheinen ausgeprägte (>0,5 mV) zum QRS-Komplex diskordante ST-Hebungen zu sein [20] (Abb. 5). Die «Sgarbossa-Kriterien» zur STEMI-Diagnose bei vorbestehendem LSB wurden im Verlauf verbessert [21]. Wie gut diese Kriterien im klinischen Alltag sind, scheint von der Selektion der Patienten abzuhängen. So zeigte eine Studie an 190 LSB-Patienten mit einer Prävalenz von 13% mit Enddiagnose «Herzinfarkt» eine schlechte Sensitivität (0–16%) bei guter Spezifität (93–100%) [22]. Eine andere Studie mit 224 LSB-Patienten mit einer Prävalenz von 45% mit Enddiagnose «Herzinfarkt» eine gute Sensitivität (67–73%) bei erhaltener Spezifität (98%) [23].

Telemedizinische EKG-Übertragungen in der Akutmedizin (Prehospital-ECG)

Neben verschiedenen präklinischen Systemen zur EKG-Übertragung vom Rettungsfahrzeug zu stationären Institutionen (Notfallstationen, Herzkatheterlabore, Einsatzzentralen, Dienstärzte usw.) sind auch EKG-Übertragungen auf Smartphones zunehmend verbreitet (sogenannte «Prehospital-ECG»). Der Einsatz eines Prehospital-ECG scheint benefitär; so konnte retrospektiv an über 150 000 ACS-Patienten gezeigt werden, dass Patienten mit einem präklinischen 12-Ableitungs-EKG deutlich eher einer Reperfusionstherapie zugeführt wurden (OR 1,7; 95%-CI 1,63–1,78). Der Einsatz eines Prehospital-ECG hatte einen signifikanten Einfluss auf die 30-Tages-Mortalität sowohl bei STEMI-Patienten (8,6% vs. 11,4%; OR 0,94; 95%-CI 0,90–0,98) als auch bei NSTEMI-Patienten (5,9% vs. 6,5%; OR 0,84; 95%-CI 0,81–0,88) [24].
Eine direkte Aktivierung des Herzkatheterlabors zur Akut-PCI resultierte in einer anderen kleinen Studie mit einem Zeitgewinn bis zur Reperfusion (Verkürzung der door-to-balloon-time um durchschnittlich rund 15 Minuten) allerdings ohne Mortalitätsbenefit bei einer Erhöhung der Fehlalarmierungsrate um knapp 8% [25]. Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass für eine Verbesserung des Patienten Outcome bei Herzinfarkt insbesondere ein gut funktionierendes Versorgungsnetzwerk (Rettungsdienst, Netzwerkspitäler, Notfallstation/Schockraum, Katheterlabor, Intensivstation usw.) etabliert sein muss und das Prehospital-ECG nur ein einzelnes Element der gesamten Rettungskette darstellt. Eine präklinische Direktaktivierung des Herzkatheterlabors zur Akut-PCI (Percutaneous Coronary Intervention) macht primär bei akuten ST-Hebungsinfarkten Sinn. Im Falle von ausserklinisch erfolgreich reanimierten Patienten nach Kreislaufstillstand wird heutzutage bei STEMI-Diagnose eine unverzügliche Akut-PCI empfohlen (präklinische Direktaktivierung sinnvoll), bei NSTEMI-Patienten soll eine Akut-PCI beschleunigt (innerhalb von 2 Stunden) durchgeführt werden (präklinische Direktaktivierung fraglich/ situativ), und bei unklarer Ursache für den Kreislaufstillstand macht eine kurze differentialdiagnostische Evaluation im Setting einer Notfallstation/Schockraum-Sinn [26] (präklinische Direktaktivierung meist wenig sinnvoll). Das Prehospital-ECG kann generell helfen, die entsprechenden adäquaten Versorgungselemente der Rettungskette zeitgerecht zu alarmieren und in Bereitschaft zu versetzen.

Schlussfolgerungen

Nach bald 100-jähriger Erfahrung mit akuten EKGVeränderungen bei Koronarischämie hat das EKG in der heutigen Diagnostik der akuten Koronarsyndrome (ACS) nach wie vor eine zentrale Bedeutung mit direktem Einfluss auf die Wahl der Therapiestrategie. Neben verschiedenen typischen EKG-Zeichen sollten auch verschiedene atypische Präsentationen aufmerksam beurteilt werden. Die heutigen telemedizinischen Möglichkeiten der Direktübertragung eines präklinischen 12-Ableitungs-EKG vom Rettungsfahrzeug zu stationären Institutionen haben Einfluss auf den Behandlungsprozess und den klinischen Outcome.

Finanzierung/Interessenkonflikte

Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

Literatur

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Die vollständige nummerierte Literaturliste finden Sie an die Online-Version angehängt unter www.cardiovascmed.ch.

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Table 1. Repolarisationsstörungen ohne ACS, exemplarische Auflistung ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Table 1. Repolarisationsstörungen ohne ACS, exemplarische Auflistung ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
ST-HebungenFixiert/chronischDynamisch/akut
Normalvarianten, z.B. frühe RepolarisationAkute intrakranielle Prozesse
BlockbilderAkute Peri(myo)karditis
Linksventrikuläre HypertrophieAkute Lungenembolien
Hypertrophe KardiomyopathieElektrolytstörungen
Ventrikuläre SchrittmacherstimulationTako-Tsubo-Kardiomyopathie
ST-SenkungenFixiert/chronischDynamisch/akut
BlockbilderAkute Peri(myo)karditis
Linksventrikuläre HypertrophieAkute Lungenembolien
Hypertrophe KardiomyopathieElektrolytstörungen
Chronische IschämieHypertensive Krise
Ventrikuläre SchrittmacherstimulationHyperventilation
Pankreatitis
Post-Tachykardie / Konversion
Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
Negative T-WellenFixiert/chronischDynamisch/akut
Normalvarianten, z.B. Frauen, JugendlicheAkute Peri(myo)karditis
Stattgehabter HerzinfarktAkute Lungenembolien
Chronische IschämieTako-Tsubo-Kardiomyopathie
KardiomyopathienElektrolytstörungen
BlockbilderPost-Tachykardie / Konversion
Linksventrikuläre Hypertrophie
Ventrikuläre Schrittmacherstimulation
Prominente T-WellenFixiert/chronischDynamisch/akut
Normalvarianten, z.B. frühe RepolarisationElektrolytstörungen
Akute intrakranielle Prozesse (Stroke, Subarachnoidalblutung)

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Wyss, C. EKG bei akuten Koronarsyndromen. Cardiovasc. Med. 2015, 18, 163. https://doi.org/10.4414/cvm.2015.00321

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Wyss C. EKG bei akuten Koronarsyndromen. Cardiovascular Medicine. 2015; 18(5):163. https://doi.org/10.4414/cvm.2015.00321

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