Einleitung
Vorhoffiimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung in der westlichen Welt und kommt häufig begleitend bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz vor. Beide Erkrankungen kommen, nicht zuletzt aufgrund einer älter werdenden Bevölkerung, immer häufiger vor. Während <1% der unter 60-Jährigen Vorhoffiimmern haben, sind 8% der über 80-Jährigen betroffen. Die steigende Zahl von Patienten mit einer Herzinsuffizienz ist vor allem durch Fortschritte in der Therapie, wie z.B. die rasche Revaskularisation bei einem akuten ST-Hebungsinfarkt, und der medikamentösen Behandlung zuzuschreiben.
Unklar ist, ob Vorhoffiimmern ein eigenständiger, die Mortalität beeinflussender Risikofaktor in dieser Patientenpopulation ist.
Die Prävalenz von Vorhoffiimmern bei Patienten mit Herzinsuffizienz beträgt 13–27% [
1,
2,
3] und steigt parallel mit dem Schweregrad der Herzinsuffizienz. Bei Patienten mit milder Herzinsuffizienz (NYHA II–III) haben 5% ein Vorhoffiimmern, während mit einer schweren Herzinsuffizienz (NYHA IV) jeder Zweite eines hat [
4].
Wenn auch ein kausaler Zusammenhang beider Erkrankungen bisher nicht hergestellt werden konnte, kann die Koexistenz durch gemeinsame Risikofaktoren wie Alter, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Adipositas sowie eine valvuläre, ischämische oder nicht-ischämische Kardiopathie erklärt werden. Diese Faktoren führen zu zellulären und extrazellulären sowie neurohumoralen Veränderungen, welche die Entstehung und Aufrechterhaltung von Vorhoffiimmern und Herzinsuffizienz begünstigen.
Für beide Konditionen existieren internationale Behandlungsrichtlinien, jedoch existieren wenige Daten zur Behandlung von Vorhoffiimmern bei Herzinsuffizienzpatienten.
Einfluss einer Herzinsuffizienz auf Vorhoffiimmern
Eine Herzinsuffizienz erhöht das Risiko, ein Vorhoffiimmern zu entwickeln, über verschiedene Mechanismen wie über einen erhöhten atrialen Druck, Dysregulation des Kalziumhaushaltes sowie autonome und neurohumorale Faktoren. Insbesondere eine chronische Druckbelastung im linken Ventrikel führt zu einer Dilatation des dünnwandigen linken Vorhofs. Es kommt zu einer interstitiellen Fibrosierung und ultrastrukturellen Anpassungen der Myozyten, welche wiederum zu elektrophysiologischen Veränderungen führen (Veränderung der Refraktärzeiten und Leitungsgeschwindigkeiten), was die Entstehung und die Aufrechterhaltung von Vorhoffiimmern begünstigt [
5,
6]. Zudem führt eine Herzinsuffizienz zu neurohormonalen Veränderungen mit Erhöhung der Katecholaminund Angiotensin-IISerumkonzentrationen, was wiederum Vorhoffiimmern begünstigt [
7].
Einfluss von Vorhoffiimmern auf eine Herzinsuffizienz
Vorhoffiimmern kann die Entstehung oder Progression einer Herzinsuffizienz auf verschiedene Wege begünstigen. Die häufig bei Vorhoffiimmern erhöhte Herzfrequenz in Ruhe und ein übermässiger Herzfrequenzanstieg unter körperlicher Belastung führt, durch eine Verkürzung der Diastolendauer, zu einer Reduktion des Herzzeitvolumens, welches durch die irregulären Ventrikelkontraktionen weiter reduziert wird. Der Verlust der atrialen Kontraktion führt zu einer verminderten Füllung der Ventrikel und trägt zur verminderten Auswurfleistung bei.
Das Auhreten von Vorhoffiimmern wird von einer Verschlechterung der NYHA-Klasse, der maximalen Sauerstoffaufnahme, des Herzzeitvolumens und echokardiographischer Parameter begleitet, und die Wiederherstellung des Sinusrhythmus verbessert diese Parameter [
8]. Das Auhreten von Vorhoffiimmern bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit erhaltener systolischer linksventrikulären Funktion führt häufig zu erheblichen Symptomen, da bei diesen Patienten die für sie wichtige Vorlast reduziert wird.
Eine Sonderstellung, insbesondere da diese Form der Herzinsuffizienz reversibel ist, stellt die tachykardieinduzierte Kardiomyopathie dar, welche nicht nur bei Vorhoffiimmern vorkommt. Durch eine anhaltend erhöhte Herzfrequenz kommt es zu einer Erweiterung des linken Ventrikels und zur Abnahme der Pumpfunktion. Unter einer Kontrolle der Herzfrequenz oder Wiederherstellen des Sinusrhythmus kommt es zu einer Erholung und Normalisierung der Pumpfunktion. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind unklar. Im Tiermodell konnten eine myokardiale Ischämie und eine abnorme Kalziumregulation mit daraus resultierendem Energieverlust bei tachykardieinduzierter Kardiomyopathie gezeigt werden [
9]. Dieses Krankheitsbild ist vermutlich unterdiagnostiziert. In einer kleinen retrospektiven Analyse wurde der Effekt eines biventrikulären Pacings nach AV-Knotenablation bei Patienten mit ischämieund nicht-ischämiebedingter Kardiomyopathie verglichen. Alle Patienten hatten permanentes Vorhofflimmern mit schlecht kontrollierter Ventrikelfrequenz und eine linksventrikuläre Pumpfunktion von <35%. Nur 9% hatten aufgrund eines Schenkelblocks eine klassische Indikation zur kardialen Resynchronisationstherapie. Nach einer Beobachtungsdauer von >6 Monaten blieb die linksventrikuläre Pumpfunktion bei ischämiebedingter Kardiomyopathie unverändert, während sie sich signifikant bei nicht-ischämiebedingter Kardiomyopathie verbesserte. Dieser Unterschied dürhe durch das Vorliegen irreversibler myokardialer Narben bedingt sein. Es ist aber wahrscheinlich, dass bei einem Teil der Patienten mit nicht-ischämischer Kardiomyopathie eine tachykardieinduzierte Kardiomyopathie vorlag [
10]. Somit sollte bei nicht-ischämischer Kardiomyopathie ausreichend lange eine rhythmusoder frequenzkontrollierende medikamentöse Therapie durchgeführt warden.
Abbildung 1.
Zusammenhänge zwischen Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz.
Abbildung 1.
Zusammenhänge zwischen Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz.
Erhöht Vorhoffiimmern die Mortalität bei Herzinsuffizienzpatienten?
Obschon grosse randomisierte Multizenterstudien wertvolle Angaben zum Einfluss von Vorhoffiimmern bei Herzinsuffizienzpatienten liefern, ist es wichtig zu erkennen, dass Vorhoffiimmern selten ein Einschlusskriterium bzw. ein vordefinierter Studienendpunkt war. Das Auhreten von Vorhoffiimmern wurde nicht systematisch gesucht, sondern anhand von EKG-Registrierung zum Zeitpunkt einer Studienvisite festgehalten, womit Schlussfolgerungen zum Einfluss von Vorhofflimmern mit Vorsicht zu treffen sind. Grosse prospektive randomisierte Studien zur Erfassung des Einflusses von Vorhoffiimmern auf die Mortalität und Morbidität bei Herzinsuffizienzpatienten existieren nicht.
In der Framingham-Studie war Vorhoffiimmern verglichen mit Sinusrhythmus mit einer doppelt so hohen kardiovaskulären Mortalität assoziiert, allerdings wurde die Eigenständigkeit von Vorhoffiimmern als Risikofaktor nicht untersucht. In der CHARM-Studie, welche einen Angiotensin-Rezeptor-II-Antagonisten bei Herzinsuffizienzpatienten untersuchte, hatten 15% Vorhoffiimmern, und diese hatten eine erhöhte Sterblichkeit gegenüber Patienten ohne Vorhoffiimmern. Interessanterweise hatten Patienten mit einer erhaltenen linksventrikulären Pumpfunktion und Vorhoffiimmern eine noch höhere Mortalität verglichen mit solchen mit einer reduzierten Pumpfunktion (≤40%) [
11]. In der SOLVDund der VALLIANT-Studie war Vorhoffiimmern mit einer erhöhten Mortalität aufgrund von Herzinsuffizienz assoziiert [
12,
13].
Abbildung 2.
Angepasst nach ESCRichtlinien, HFREF = Herzinsuffizienz mit reduzierter linksven-trikulärer Pumpfunktion; EKV = elektrische Kardioversion. 1 Betablockerunverträglichkeit, mässige Frequenzkontrolle von Digoxin unter Belastung. 2 RuheHerzfrequenz ≤110/min. Bei anhaltenden Symptomen RuheHerzfrequenz ≤80/min, <110/min unter Belastung. 3 Rücksprache mit Spezialisten: konventionelle Schrittmacher versus Resynchronisationstherapie (CRT). 4 RuheHerzfrequenz <60/min, <90/min unter Belastung und anhaltende Herzinsuffizienzsymp-tome.
Abbildung 2.
Angepasst nach ESCRichtlinien, HFREF = Herzinsuffizienz mit reduzierter linksven-trikulärer Pumpfunktion; EKV = elektrische Kardioversion. 1 Betablockerunverträglichkeit, mässige Frequenzkontrolle von Digoxin unter Belastung. 2 RuheHerzfrequenz ≤110/min. Bei anhaltenden Symptomen RuheHerzfrequenz ≤80/min, <110/min unter Belastung. 3 Rücksprache mit Spezialisten: konventionelle Schrittmacher versus Resynchronisationstherapie (CRT). 4 RuheHerzfrequenz <60/min, <90/min unter Belastung und anhaltende Herzinsuffizienzsymp-tome.
Andere Subanalysen konnten keine Mortalitätssteigerung durch Vorhoffiimmern zeigen [
2]. Interessanterweise zeigen mehrere Studien eine Steigerung der Mortalität bei neu auhretendem Vorhoffiimmern während der Studie gegenüber vorbestehendem Vorhoffiimmern [
14,
15]. Wie eingangs erwähnt, war Vorhoffiimmern jedoch kein Endpunkt und wurde nicht systematisch gesucht.
In einer prospektiven Studie mit 409 und einer retrospektiven Studie mit 3029 Herzinsuffizienzpatienten war Vorhoffiimmern mit einer erhöhten Gesamtmortalität verbunden. Nach Bereinigung für prognostische Variablen war diese Wechselwirkung jedoch nicht mehr statistisch signifikant [
1,
16].
Eine interessante Hypothese wurde durch eine Analyse der verfügbaren Literatur zum Einfluss von Vorhoffiimmern auf die Mortalität bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz aufgestellt. Vorhoffiimmern hat demnach keinen negativen Einfluss auf die Mortalität bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, während die Mortalität bei solchen mit einer milden bis moderaten Herzinsuffizienz durch Vorhoffiimmern erhöht wird. Eine andere prospektive Beobachtungsstudie mit 944 aufgrund einer Herzinsuffizienz hospitalisierten Patienten fand heraus, dass ein neu aufgetretenes Vorhoffiimmern das Mortalitätsrisiko gegenüber Herzinsuffizienzpatienten ohne Vorhoffiimmern deutlich steigt. 80% der Patienten mit neu aufgetretenem Vorhoffiimmern verstarben innerhalb von 4 Jahren gegenüber 61–66% der Patienten ohne Vorhoffiimmern. Ein vor der Hospitalisation bestehendes Vorhoffiimmern beeinflusste die Mortalität nicht [
17].
Die uneinheitlichen Resultate sind durch das unterschiedliche Studiendesign, die retrospektiven Analysen und Anwendung verschiedener pharmakologischer Substanzen zur Unterdrückung von Vorhoffiimmern, inklusive der Klasse-IC-Antiarrhythmika (welche zu einer erhöhten Rate an ventrikulären Rhythmusstörungen und der Mortalität bei ischämischer Kardiomyopathie führten), bzw. den uneinheitlichen Einsatz von ACEHemmern in der Herzinsuffizienztherapie erklärt. Eine Kausalität von Herzinsuffizienz und Vorhoffiimmern ist nicht bewiesen, und Vorhoffiimmern ist möglicherweise eher Ausdruck einer Herzinsuffizienzprogression.
Wie im Abschnitt «Einfluss von Vorhoffiimmern auf eine Herzinsuffizienz» erwähnt, können einige Eigenschahen von Vorhoffiimmern, wie die häufig tachykarde Herzfrequenz oder die fehlende atriale Beteiligung an der ventrikulären Füllung, Herzinsuffizienzsymptome hervorrufen oder verschlechtern. Zudem werden bei der Therapie von Vorhoffiimmern unerwünschte und Nebenwirkungen der frequenzsenkenden, rhythmuskontrollierenden und nicht zuletzt der antithrombotischen Medikation auhreten, was in Studien die Mortalität und Morbidität beeinflusst, aber nicht zwingend durch Vorhoffiimmern per se verursacht wurde.
Es bleibt somit unklar und Gegenstand der Forschung, inwieweit das Vorhandensein oder Auhreten von Vorhoffiimmern bei Patienten mit Herzinsuffizienz die Mortalität beeinflusst. Es wäre auch wichtig, Patienten bezüglich des Typs der Herzinsuffizienz – erhaltene oder reduzierte linksventrikuläre systolische Funktion – zu untersuchen.
Rhythmusoder Frequenzkontrolle des Vorhoffiimmerns
Theoretisch müsste die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus von Vorteil bei Herzinsuffizienzpatienten sein. Die Hämodynamik wird aufgrund des atrio-ventrikulären Erregungsablaufs und damit Beteiligung der VorhoRontraktion an der Ventrikelfüllung und des regelmässigen Herzschlags verbessert. Das Risiko für einen ischämischen zerebralen Insult ist minimiert, und eine Tachykardiomyopathie oder eine durch die hohe Herzfrequenz zusätzliche Pumpfunktionseinschränkung tritt nicht auf bzw. wird verbessert.
Wiederum stammen Daten zu dieser Frage aus grossen randomisierten Studien, welche andere Endpunkte untersuchten bzw. in welchen Patienten mit einer Herzinsuffizienz unterrepräsentiert waren. In der AFFIRM-Studie mit 4060 Patienten hatten 26% eine Herzinsuffizienz, und beide Therapiestrategien führten, bei Patienten mit und ohne Herzinsuffizienz, zu vergleichbaren Ergebnissen [
18].
Eine prospektive Arbeit mit 1376 Patienten, welche den Effekt einer Rhythmusund Frequenzkontrolle von chronischem Vorhoffiimmern bei Herzinsuffizienz mit einer eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion <35% untersuchte, zeigte, dass beide Therapiestrategien gleichwertig sind [
19]. Eine kleinere Studie zeigte ebenfalls keinen Mortalitätsunterschied beider Therapiestrategien, allerdings war sogar ein Trend zu einer erhöhten Mortalität und einer höheren Rate an Blutungskomplikationen bei Patienten mit einer Rhythmuskontrolle festzustellen [
20]. Es ist zu beachten, dass eine Rhythmuskontrolle nicht immer möglich ist und Studienergebnisse hierdurch beeinflusst werden, sei es durch ein Therapieversagen (Versagen einer antiarrhythmischen medikamentösen oder interventionellen Therapie), sei es dadurch, dass die Ergebnisse durch Nebenund unerwünschte Wirkungen beeinflusst werden. Wenn es gelingt, einen Sinusrhythmus zu erhalten, scheint eine Mortalitätsreduktion bei Herzinsuffizienzpatienten möglich [
18,
20,
21]. Andererseits könnte dieser positive Effekt durch gesündere Patienten, bei welchen ein Sinusrhythmus eher erhalten werden kann, bedingt sein.
Die bisher einzige randomisierte prospektive Studie, welche den Effekt einer Rhythmusversus Frequenzkontrolle bei 1376 Herzinsuffizienzpatienten (mittlere systolische linksventrikuläre Funktion 27%) untersuchte, zeigte nach einer mittleren Beobachtungszeit von 3 Jahren keinen Benefit einer Rhythmuskontrolle hinsichtlich Reduktion der Mortalität oder Vermeidung von Hospitalisationen aufgrund der Herzinsuffizienz [
22].
Somit scheint der Benefit einer Rhythmuskontrolle bei Herzinsuffizienzpatienten eher theoretischer Natur als wissenschahlich belegt.
Es ist allerdings zu bedenken, dass die Studienergebnisse nicht unbedingt auf den klinischen Alltag übertragen werden können. Zum Beispiel werden Patienten zu einer Frequenzkontrolle randomisiert, wenn eine ausreichende Frequenzkontrolle in Ruhe und unter Belastung möglich ist. Dies kann im klinischen Alltag schwierig sein, und möglicherweise geht der potentielle Vorteil einer Rhythmuskontrolle durch Nebenwirkungen der antiarrhythmischen Therapie wieder verloren.
Der Effekt beider Therapieformen ist wahrscheinlich auch von der Ätiologie der Kardiomyopathie abhängig. Eine Herzinsuffizienz mit erhaltener systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion (diastolische Dysfunktion), eine Population, welche diesbezüglich überhaupt nicht untersucht ist, könnte eher von einer Rhythmuskontrolle profitieren, da diese Patienten von der atrialen Beteiligung an der ventrikulären Füllung profitieren. Aufgrund fehlender Studiendaten ist aber auch diese Aussage hypothetisch.
Die optimale Frequenzkontrolle ist ebenfalls unklar, da die einzige Studie, welche eine strikte gegenüber einer milden Frequenzkontrolle untersuchte, kaum Patienten mit einer Herzinsuffizienz einschloss und keinen Unterschied zwischen den streng und weniger streng behandelten Patienten zeigte [
23].
Die Richtlinien zur Behandlung der Herzinsuffizienz der Europäischen Gesellschah für Kardiologie empfehlen, einen Ruhepuls von <80/min anzustreben, der unter milder körperlicher Belastung auf <110/min ansteigt [
24]. Sicherlich sollte der Effekt einer frequenzkontrollierenden Therapie nicht nur in Ruhe, sondern auch unter körperlicher Belastung überprüh werden, da ein normokarder Ruhepuls unter körperlicher Belastung im Vorhoffiimmern nicht selten einen «überschiessenden» Herzfrequenzanstieg zeigt. Aufgrund fehlender Studiendaten ist die optimale Frequenzkontrolle in dieser Patientenpopulation unklar, und es ist fraglich, obeine strenge Frequenzkontrolle bei herzinsuffizienten Patienten von Vorteil ist oder, nicht zuletzt aufgrund unerwünschter Medikamentenwirkung, nachteilige Effekte hat. Es ist bei eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion wahrscheinlich sinnvoll, die RuheHerzfrequenz <100/min zu halten und eine Herzfrequenz unter Belastung von <120/min anzustreben. Zur Überprüfung des Herzfrequenzverhaltens unter körperlicher Belastung eignet sich sowohl eine Laufbandoder Fahrradergometrie als auch eine Langzeit-EKG-Untersuchung über 24 Stunden, welche wahrscheinlich eher den Alltag der Patienten repräsentiert.
Medikamentöse Frequenzkontrolle
Die Therapie der Wahl bei Herzinsuffizienzpatienten zur Frequenzkontrolle von Vorhoffiimmern sind Betablocker. Der positive Effekt einer Betablockertherapie auf das Überleben bei chronisch eingeschränkter linksventrikulärer systolischer Funktion ist bekannt.
Bei akuter Dekompensation einer Herzinsuffizienz und tachykardem Vorhoffiimmern wird häufig Digoxin eingesetzt. Der Wirkungseintritt ist allerdings verzögert, was dessen Wirksamkeit bei der akuten Dekompensation in Frage stellt. Ausserdem führt Digoxin über eine Erhöhung des Vagotonus zu einer Verlangsamung der ventrikulären Herzfrequenz, was wiederum die Wirksamkeit im Stadium der akuten Dekompensation mit erhöhtem Sympatikotonus in Frage stellt. In der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion hat Digoxin einen Stellenwert und führt zu einer Symptomverbesserung und Reduktion von Hospitalisationen, insbesondere in Kombination mit einer Betablockertherapie [
25]. Allerdings trägt Digoxin nicht zur Frequenzkontrolle unter körperlicher Belastung bei.
Bei Patienten mit erhaltener linksventrikulärer systolischer Funktion kommen auch Kalzium-Antagonisten (Verapamil, Diltiazem) alternativ zur Betablockertherapie in Frage. Auch hier kann Digoxin zusätzlich eingesetzt werden. Digoxin besitzt ein geringes therapeutisches Fenster, weshalb regelmässige Serumspiegelbestimmungen, insbesondere bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz, durchgeführt werden sollten.
Der Einsatz eines Kalzium-Antagonisten ist bei eingeschränkter linksventrikulärer systolischer Funktion aufgrund der negativ inotropen Wirkung nicht empfohlen.
Rhythmuskontrolle
Eine Rhythmuskontrolle des Vorhoffiimmerns hat keine eindeutigen Vorteile gegenüber einer Frequenzkontrolle. Dennoch können Herzinsuffizienzpatienten von einer Rhythmuskontrolle profitieren, insbesondere wenn eine Symptomkorrelation mit Vorhoffiimmern gemacht werden kann. Ein häufiges Problem stellt allerdings eine ungenügende Frequenzkontrolle dar, weshalb eine Rhythmuskontrolle angestrebt wird.
Bei ätiologisch unklaren Kardiomyopathien mit eingeschränkter linksventrikulärer systolischer Funktion ist eine antiarrhythmische Therapie sinnvoll, um eine Tachykardiomyopathie zu erkennen. In diesem Fall erholt sich die linksventrikuläre Pumpfunktion, sofern der Sinusrhythmus erhalten werden kann bzw. wenn eine ausreichende Frequenzkontrolle durchführbar ist.
Die Pulmonalvenenisolation zur Rhythmuskontrolle des Vorhoffiimmerns ist umstritten, da die Rezidivrate bei persistierendem Vorhoffiimmern mit 40–50% doch sehr hoch ist. Ausserdem ist die Herzinsuffizienz per se ein Risikofaktor für Vorhoffiimmern, und der linke Vorhof ist bei diesen Patienten meist fibrosiert, was wiederum das Wiederauhreten von Vorhoffiimmern fördert.
Medikamentöse Rhythmuskontrolle
Es stehen uns verschiedene Wirkstoffe zur Wiederherstellung und zum Erhalt des Sinusrhythmus bei Vorhofflimmerpatienten zur Verfügung. Bei Patienten mit einer eingeschränkten linksventrikulären systolischen Funktion kommt als Antiarrhythmikum allerdings nur Amiodaron in Frage. Beim Einsatz von Amiodaron sind regelmässige Kontrollen der Schilddrüsenwerte sowie ophthalmologische Kontrollen indiziert. Medikamenteninteraktionen und Vorsichtsmassnahmen, wie Vermeidung einer Sonnenexposition, sind zu beachten.
Amiodaron besitzt bradykardisierende Eigenschahen. Es ist jedoch fraglich, ob es aufgrund des Nebenwirkungsprofils zur Frequenzkontrolle eingesetzt werden oder ob eine Verödung des AV-Knotens nach vorheriger Schrittmacherimplantation erfolgen sollte, womit eine Rhythmuskontrolle definitiv möglich ist.
AV-Knotenablation und Schrittmachertherapie
Häufig können bradykardisierende Medikamente nicht ausdosiert werden. Die Ablation des AV-Knotens ist ein einfach durchführbarer Eingriff über die Femoralvene, mit sehr kleinem Interventionsrisiko und praktisch 100%-iger Erfolgswahrscheinlichkeit. Vorgängig muss aber eine Schrittmacherimplantation erfolgen. Wegen des Risikos einer Elektrodendislokation wird ein solcher Eingriff frühestens 3 Wochen nach der Schrittmacherimplantation durchgeführt. Es handelt sich um eine «endgültige», aber sehr effiziente Methode der Rhythmuskontrolle, welche, aufgrund ihrer «Endgültigkeit», nach Ausschöpfen anderer Therapiestrategien zur Anwendung kommt. Am ehesten in Frage kommen Patienten mit ungenügend frequenzkontrollierbarem Vorhoffiimmern. Bereits 1998 wurde eine kleine Vorhofflimmerpopulation mit Vorhoffiimmern und erhaltener linksventrikulärer Pumpfunktion publiziert, welche eine signifikante Verbesserung der funktionellen NYHA-Klasse und der Lebensqualität durch eine AVKnotenablation/Schrittmachertherapie zeigte [
26]. In einer Studie mit Patienten mit therapierefraktärem Vorhoffiimmern und mit einer eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion (LVEF <40%) erholte sich die Pumpfunktion bei 29% der Patienten. Diese Patienten hatten eine mit einer Kontrollpopulation mit normaler Pumpfunktion vergleichbare Überlebensrate. Die hohe Rate an Erholung der Pumpfunktion legt allerdings nahe, dass bei einem Teil der Patienten eine Tachykardiomyopathie vorlag.
Da eine chronische rechtsventrikuläre Stimulation negative hämodynamische Auswirkungen auf die linksventrikuläre Pumpfunktion haben kann [
27,
28], wurde im Verlauf der Effekt einer kardialen Resynchronisation mittels biventrikulärer Stimulation untersucht. Bei Vorhandensein einer klassischen Indikation für eine kardiale Resynchronisationstherapie (LVEF ≤35% und Linksschenkelblock ≥120 ms oder Schenkelblock ≥150 ms) ist die Implantation eines biventrikulären Schrittmachers indiziert.
Daten aus einer prospektiven Multizenter-Beobachtungsstudie zeigen, dass Herzinsuffizienzpatienten mit Vorhoffiimmern nach Implantation eines biventrikulären Schrittmachers ein vergleichbares Überleben haben wie Herzinsuffizienzpatienten im Sinusrhythmus [
29]. Bei Patienten mit kardialer Resynchronisationstherapie, welche im Verlauf der Erkrankung Vorhoffiimmern entwickeln, ist eine Frequenzkontrolle wichtig, um einen ungenügenden biventrikulären Stimulationsanteil durch intrinsisch übergeleitetes Vorhoffiimmern zu vermeiden. Bei einem ungenügenden biventrikulären Stimulationsanteil (<90%) sollte eine AV-Knoten-Ablation durchgeführt werden.
Die Indikation zu einer zusätzlichen Defibrillatortherapie entspricht den Richtlinien für Herzinsuffizienz. Die eingangs erwähnte Studie, welche die Resynchronisationstherapie bei Patienten mit ischämischer und nichtischämischer Kardiomyopathie verglich, zeigt aber, dass bei nicht-ischämiebedingter Pumpfunktionseinschränkung ausreichend lange eine medikamentöse Rhythmuskontrolle durchgeführt werden sollte, da sich ein Teil erholen und somit als Tachykardiomyopathie klassifiziert werden kann [
10].
Zusammenfassung
Es bleibt unklar, inwieweit Vorhoffiimmern ein eigenständiger Risikofaktor bei Herzinsuffizienzpatienten oder Ausdruck einer fortgeschrittenen Kardiomyopathie ist. Prospektive randomisierte Daten fehlen mehrheitlich und Therapieempfehlungen basieren auf Subanalysen.
Eine Frequenzkontrolle sollte bei allen Herzinsuffizienzpatienten durchgeführt werden, wobei die anzustrebende Ruheund Belastungsherzfrequenz unklar ist. Sinnvoll ist eine Ruhe-Herzfrequenz <100/min, wenn toleriert <80/min. Unter Belastung sollte die Herzfrequenz <110/min bleiben. Bei Versagen einer medikamentösen Frequenzkontrolle ist die kardiale Resynchronisationstherapie nach Ablation des AV-Knotens eine effektive Methode mit vergleichbarem Langzeitüberleben verglichen mit Herzinsuffizienzpatienten im Sinusrhythmus.