Summary
Biomarkers: the key for the new definition of myocardial infarction
In the new joint guidelines of international scientific societies for the definition of myocardial infarction cardiac biomarkers, especially the cardiac troponins T and I play a central role as a diagnostic criterion in NONSTEMI. These markers are suitable for risk stratification and provide prognostic information. As new cut-off point the 99th percentile of a healthy reference population was chosen. Moreover an analytical imprecision of less than 10% coefficient of variation at the cut-off point is required by the guidelines. The diagnosis of myocardial infarction includes an appropriate clinical diagnosis and the kinetic of the troponin increase, because increased troponin levels as a sign of myocardial damage may also occur in patients without coronary heart disease. The new definition will lead to an apparent increase in myocardial infarction (according to the AMIS registry in Switzerland by about 6%). It will also have consequences for the patients (psychological, insurance, at the working place, for certain activities, etc). Data from high risk patients with acute coronary syndrome indicate that every measurable troponin value (even below the 99th percentile) is associated with an increased risk. This justifies apart from the standardisation the lowering of the cut-off to the 99th percentile.
Key words: myocardial infarction; acute coronary syndrome; cardiac biomarkers; troponin; diagnosis
Einleitung
Der Myokardinfarkt als akute Verlaufsform einer koronaren Herzkrankheit stellt eine der häufigsten Todesursachen in der industrialisierten Welt dar. Der Diagnostik und der Risikostratifizierung sowie der unverzüglichen Therapie des Myokardinfarkts kommt deshalb grosse klinische Bedeutung zu. Kardiale Biomarker erlauben den Nachweis von Myokardschädigungen von der Ischämie über die Nekrose bis zur myokardialen Dysfunktion (
Abb. 1).
Abbildung 1.
Biomarker im Verlaufe eines akuten Koronarsyndroms. (Modifiziert nach [
1]: Apple FS, Wu AH, Mair J, Ravkilde J, Panteghini M, Tate J, Committee on Standardization of Markers of Cardiac Damage of the IFCC. Future biomarkers for detection of ischemia and risk stratification in acute coronary syndrome. Clin Chem. 2005;51:810–24. Mit freundlicher Genehmigung, Copyright © 2009, AACC, Washington, USA.)
Abbildung 1.
Biomarker im Verlaufe eines akuten Koronarsyndroms. (Modifiziert nach [
1]: Apple FS, Wu AH, Mair J, Ravkilde J, Panteghini M, Tate J, Committee on Standardization of Markers of Cardiac Damage of the IFCC. Future biomarkers for detection of ischemia and risk stratification in acute coronary syndrome. Clin Chem. 2005;51:810–24. Mit freundlicher Genehmigung, Copyright © 2009, AACC, Washington, USA.)
Die Entwicklung von Biomarkern zur Erfassung einer kardialen Ischämie, bevor es zur Nekrose kommt, ist durch Spezifitätsprobleme und durch die Schwierigkeit eines entsprechenden klinischen Referenzzustands wesentlich erschwert. Der einzige bislang in klinischen Studien erprobte Ischämiemarker ist das «ischaemia modified albumin» (IMA). Es handelt sich dabei um einen neuen, von der FDA (Food and Drug Administration) anerkannten Test für die Erfassung einer myokardialen Ischämie. Das zugrunde liegende Prinzip ist die eingeschränkte Bindung von Kobalt an das aminoterminale Ende von Albumin bei Vorhandensein einer myokardialen Ischämie. Kombiniert mit anderen Markern wie Troponin stellt der IMA-Test einen bedeutenden Fortschritt im frühen Nachweis eines Herzinfarkts dar. Der IMA-Wert ist 6–10 Minuten nach Beginn eines ischämischen kardialen Ereignisses positiv und sinkt ca. 6 Stunden nach Ende des Ereignisses wieder auf normale Werte ab. Ein negativer IMA-Wert hat in einer Metaanalyse zusammen mit einem nondiagnostischen EKG und einem negativen Troponin einen negativen prädiktiven Wert von über 97% ergeben [
2]. IMA wird allerdings derzeit in der Routinediagnostik in der Schweiz nicht verwendet.
Dagegen haben Nekrosemarker, insbesondere die kardialen Troponine TnT und TnI bei der Erfassung eines akuten Myokardinfarktes (AMI) seit längerer Zeit einen festen Platz in der Routinediagnostik und haben sich zum Standardverfahren entwickelt. Diekardialen Troponine sind indessen relativ späte Marker, die erst Stunden nach dem ischämischen Ereignis positive Werte zeigen. Die Einführung der kardialen Troponine als hoch sensitive und spezifische Marker von Schädigungen des kardialen Gewebes, welche es ermöglichen, sogar mikroskopische Läsionen nachzuweisen, hat zu neuen Konzepten bezüglich der Diagnosesicherung eines akuten Myokardinfarkts geführt [
3,
5].
Neue Definition des akuten Myokardinfarkts (AMI)
Bei den früheren Kriterien zum Nachweis eines akuten Myokardinfarkts (WHO 1979) mussten zwei der drei Kriterien EKG, Klinik und Labornachweis der Myokardschädigung positiv sein. Im Jahre 2000 empfahlen die European Society of Cardiology (ESC) und das American College of Cardiology (ACC) eine neue Definition des akuten Myokardinfarkts, welche ischä-mische Symptome mit Veränderungen im EKG und Anstiege der biochemischen Nekrosemarker kombiniert und die Verwendung der kardialen Troponine als Biomarker bevorzugt [
3]. Die Bestimmung des Isoenzyms MB der Creatinkinase (CK-MB) hat entsprechend den neuen Empfehlungen nur dann noch eine Bedeutung, wenn die Bestimmung der Troponine nicht verfügbar ist. Troponine sind spezifischer im Nachweis eines Myokardinfarkts und haben eine höhere Sensitivität, die den Nachweis selbst einer geringen Myokardnekrose, die mit Creatinkinase und ihrem Isoenzym MB unentdeckt bliebe, erlaubt. Den Troponinen kommt vor allem beim Myokardinfarkt ohne ST-Segmenterhebung (NON-STEMI) eine entscheidende Bedeutung zu, wie die empfohlene Abklärungsstrategie der ESC zeigt (
Abb. 2).
Abbildung 2.
Empfohlene Abklärungsstrategie beim akuten Koronarsyndrom [
4].
Abbildung 2.
Empfohlene Abklärungsstrategie beim akuten Koronarsyndrom [
4].
Neue Erkenntnisse in Forschung, Diagnostik und Behandlung des akuten Myokardinfarkts haben im vergangenen Jahr zu einer weiteren Neudefinition des akuten Myokardinfarkts durch eine Joint-ESC/ACCF/ AHA/WHF-Task-Force geführt [
5]. Wesentlichste Änderungen sind die Hinzunehme bildgebender Verfahren als Ergänzung zu den Biomarkern und die Definition verschiedener Typen des akuten Myokardinfarkts. Bei Patienten mit infarkttypischem EKG mit ST-Segmenthebung (STEMI) wird entsprechend der neuen Empfehlungen die Diagnose primär klinisch und aufgrund des EKG gestellt. Sie sollte durch labordiagnostische Bestimmungen, die relativ zeitintensiv sind, nicht unnötig verzögert werden. Bei der Diagnosestellung des NON-STEMI dagegen nehmen die kardialen Biomarker, in erster Linie die kardialen Troponine, eine zentrale Stellung als diagnostisches Kriterium ein, wobei auch hier die Klinik und eine dokumentierte Kinetik des Troponin-Anstiegs Voraussetzung für die Erfüllung der Diagnosekriterien eines AMI sind.
Bereits im Konsensusdokument der ESC und der ACC [
3] wurde als einheitlicher Grenzwert für die Biomarker die 99. Perzentile einer gesunden Referenzpopulation festgelegt [
3]. Dieser Wert wurde auch in den neuen Richtlinien beibehalten [
5]. Zusätzlich gilt als Anforderung an den Labortest, dass der Grenzwert mit einer ausreichenden Präzision gemessen werden kann. Dabei wird ein Variationskoeffizient (VK) von <10% gefordert. Ein VK von 10% bedeutet, dass z.B. bei einem Grenzwert von 0,1 Werte von 0,085 und 0,115 mit einer Konfidenz von 95% eindeutig unterschieden werden können. Um Fehlklassifikationen aufgrund der Testungenaugikeit zu vermeiden, sind ultrasensitive Tests wünschbar, die das Kriterium der Testimpräzision (VK <10% beim Grenzwert) erfüllen oder sogar übertreffen. Die derzeit verfügbaren Reagenzien genü-gen diesen Bedingungen allerdingsnoch nicht durchwegs. Daten bezüglich Nachweisgrenze, Wert der 99. Perzentile und Wert bei einem VK von 10% sind in der Tabelle 1 entsprechend der Angaben auf der Webseite der International Federation of Clinical Chemistry (IFCC) enthalten.
Wie die Tabelle zeigt, weisen mehr als die Hälfte der derzeit angebotenen Testreagenzien erst bei einem Wert oberhalb der 99. Perzentile einen Variationskoeffizienten von höchstens 10% auf. Dies ist bei der neuen Testgeneration nicht mehr der Fall [
7,
11].
Die beiden kardialen Troponine T und I sind in ihren Aussagen durchaus gleichwertig. Einzig bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion treten Differenzen auf, indem Troponin T im Gegensatz zu Troponin I erhöht sein kann. Outcome-Studien deuten indessen daraufhin, dass die TnT-Erhöhungen mit dem erhöhten kardiovaskulären Risiko bei diesen Patienten erklärbar ist [
8]. Troponin T stammt von einem einzigen Hersteller (Roche Diagnostics) und weist somit einen einzigen Grenzwert auf. Der Vergleich von Resultaten mit Troponin T bietet infolgedessen weniger Probleme als Untersuchungen mit Troponin I. Troponin I wird von mehreren Herstellern angeboten. Es handelt sich dabei um Test-Kits, die verschiedene Antikörper mit leicht unterschiedlichen Epitopspezifitäten und unterschiedlicher Kalibration verwenden. Entsprechend können die Grenzwerte um das Zehnfache und mehr differieren (
Table 1). Der Benützer sollte sich über die Testspezifikationen, den Grenzwert und die Impräzision beim Grenzwert des verwendeten Tests erkundigen.
Ultrasensitive Troponin-Tests
In der letzten Zeit ist eine neue Troponin-Testgeneration mit einer höheren Messgenauigkeit am Entscheidungspunkt eingeführt worden. Durch die Verbesserung der Messpräzision steigt die diagnostische Sensitivität in der Frühphase des Myokardinfarkts. Entsprechend dieser hochempfindlichen Test-Kits können verschiedene Stadien der Progression der atherosklerotischen Veränderungen und der entsprechenden Troponin-Werte unterschieden werden (
Abb. 3).
Abbildung 3.
Stadien der Progression der atherosklerotischen Veränderungen und Troponinwerte. (Aus: Libby P. Current concepts of the pathogenesis of the acute coronary syndromes. Circulation. 2001;104(3):365–72. Mit freundlicher Genehmigung, Copyright © 2009, Wolters Kluwer Health, Baltimore, USA.).
Abbildung 3.
Stadien der Progression der atherosklerotischen Veränderungen und Troponinwerte. (Aus: Libby P. Current concepts of the pathogenesis of the acute coronary syndromes. Circulation. 2001;104(3):365–72. Mit freundlicher Genehmigung, Copyright © 2009, Wolters Kluwer Health, Baltimore, USA.).
Diese ultrasensitiven Tests gestatten nicht nur eine eindeutigere Diagnose eines akuten Koronarsyndroms, sondern auch einen verfeinerten Nachweis geringer struktureller Veränderungen des Myokards. Sie erlauben den Nachweis geringgradiger Myokardnekrosen, die ein erhöhtes Risiko bereits in einem frü-heren Stadium anzeigen können. Bei Hochrisikopatienten mit akutem Koronarsyndrom (Angina-pectorisBeschwerden und EKG-Dynamik) stellt jeder nachweisbare Troponin-Wert (auch unterhalb der 99. Perzentile) ein zusätzliches Risiko dar. Die Höhe des Troponin-Werts korreliert dabei mit der Prognose bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (
Abb. 4).
Der TnI-Wert von 0,006 μg/l entspricht der Nachweisgrenze des Tests, während 0,040 μg/l die 99. Perzentile für diesen Test-Kit (Siemens Ultra cTnI) darstellt. Die neuen, empfindlicheren Tests werden zu mehr positiven Resultaten führen und neben myokardialen Schädigungen auch Pathologien erkennen, die nicht mit einem akuten Koronarsyndrom zusammenhängen. Dies erfordert eine andere Beurteilung, die entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen kann (s. unten).
Abbildung 4.
Ultra-TnI-Werte und ereignisfreies Überleben (modifiziert nach [
7]: Apple FS, Smith SW, Pearce LA, Ler R, Murakami MM. Use of the Centaur TnI Ultra assay for detection of myocardial infarction and adverse events in patients presenting with symptoms suggestive of acute coronary syndrom. Clin Chem. 2008;54:723–8. Mit freundlicher Genehmigung, Copyright © 2009, AACC, Washington, USA.)
Abbildung 4.
Ultra-TnI-Werte und ereignisfreies Überleben (modifiziert nach [
7]: Apple FS, Smith SW, Pearce LA, Ler R, Murakami MM. Use of the Centaur TnI Ultra assay for detection of myocardial infarction and adverse events in patients presenting with symptoms suggestive of acute coronary syndrom. Clin Chem. 2008;54:723–8. Mit freundlicher Genehmigung, Copyright © 2009, AACC, Washington, USA.)
Diagnose und Risikostratifizierung beim akuten Koronarsyndrom
Bei etwa 1/
3 der Patienten mit akutem Thoraxschmerz können erhöhte Troponin-T- oder Troponin-I-Werte ohne gleichzeitige CK-MB-Erhöhung nachgewiesen werden. In grossen multizentrischen Studien wurde dokumentiert, dass der Nachweis von Troponinen mit einem erhöhten Risiko assoziiert ist [
9] und dass eine Troponin-Bestimmung bei Aufnahme und eine zweite Bestimmung 6–12 Stunden später eine überlegene Methode zur Risikostratifizierung beim akuten Koronarsyndrom darstellt [
10]. Dabei muss betont werden, dass eine Einzelbestimmung zur Diagnosesicherung nicht ausreichend ist, da etwa 20% der Patienten mit positivem Troponin erst bei der Zweitbestimmung erkannt werden. Der Troponin-Anstieg, erfasst mit konventionellen Test-Kits, erfolgt erst ca. 6 Stunden nach Eintreten des Ereignisses. Ein eindeutiger TroponinAnstieg muss in seriellen Blutentnahmen dokumentiert werden, damit eine akute Myokardschädigung sicher diagnostiziert werden kann. Dieser relativ späte Anstieg nach Einsetzen einer Ischämie ist ein Nachteil der Troponin-Bestimmung. Neue sensitivere TroponinTest-Kits lassen positive Resultate bereits zu einem früheren Zeitpunkt erwarten [
11].
Weitere spezifische und unspezifische Troponin-Erhöhungen
Ein positiver Troponin-Wert sollte nicht ohne weiteres einem akuten Koronarsyndrom gleichgesetzt werden. Zwar zeigen Troponin-Anstiege Myokardnekrosen an, sie sagen jedoch nichts über die Ursache ihrer Entstehung aus. Die Diagnose akutes Koronarsyndrom setzt eine entsprechende Klinik und/oder ein passendes EKG voraus. Zahlreiche weitere Ursachen für Troponin-Erhöhungen werden bei minimalen Myokardschä-digungen beobachtet (
Table 2).
Bei all diesen Zuständen ist Troponin ein Risikofaktor mit prognostischer Aussagekraft. TroponinErhöhungen, auch bei Patienten ohne koronare Herzkrankheit, sind in jedem Fall Ausdruck einer Schädigung des Myokardgewebes. Beispielsweise werden sogar Patienten unter hochdosierter Chemotherapie mittels der Troponin-Bestimmung überwacht als Hilfe zur frühen Einsetzung einer geeigneten Therapie zur Verhinderung einer späteren Kardiotoxizität [
12].
Troponin-Erhöhungen können aber auch nach extremem Ausdauersport beobachtet werden.
Daneben gibt es selten auch unspezifische Erhö-hungen von Troponin, analytisch bedingt durch Partikel in der Probe, z.B. Bläschen, Mikrofibringerinnsel im unvollständig geronnenen Serum sowie heterophile Antikörper und Autoantikörper (z.B. Rheumafaktor) oder Antikörper gegen testspezifische Reagenzienbestandteile. Ferner können unspezifische TroponinErhöhungen durch Lipämie, Hämolyse, Ikterus, und Einnahme hoher Dosen von Biotin (Hämodialysepatienten) bedingt sein. Diese analytisch falsch-positiven Messresultate sind aber vergleichsweise selten (geschätzte Häufigkeit <1:50 000)
Konsequenzen der Einführung der 99. Perzentile
Die konsequente Einführung der 99. Perzentile einer gesunden Referenzpopulation als neuer Grenzwert für Troponin in die klinische Praxis wird zu einer scheinbaren Zunahme der Prävalenz von NON-STEMI führen. Gemäss Berechnungen aus dem AMIS-Register dürfte es sich in der Schweiz um eine Zunahme von ca. 6% handeln [
13]. Nach internationalen Schätzungen ist diese Zahl weit höher (25–55%) [
14,
15]. Der Wechsel der Diagnose von einer instabilen Angina pectoris zu einem akuten Myokardinfarkt kann verschiedene Konsequenzen mit sich bringen. Dazu gehören psychologische Probleme, versicherungstechnische Nachteile, Nachteile für die berufliche Karriere, Probleme am Arbeitsplatz oder bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten, wie beispielsweise ein Auto lenken und andere. Die neue Definition dürfte aber auch einen Einfluss auf die Behandlungsmodalitäten haben.
Es muss indessen festgehalten werden, dass die 99. Perzentile als alleiniger Grenzwert nicht nur zur Vereinheitlichung getroffen wurde, sondern dass Daten bei Hochrisikopatienten mit AKS zeigen, dass jedes nachweisbare Troponin ein Risikomarker darstellt und dass die Prognose der AKS-Patienten negativ mit der Höhe des Troponin-Werts korreliert, wodurch die Absenkung des Grenzwertes auf die 99. Perzentile zusätzlich begründet ist.