Die Kosten der PCI mit DES-Einsatz und die der PCI mit herkömmlichem BMS-Einsatz unterscheiden sich lediglich durch die Kosten der verwendeten Stents selbst. Alle übrigen Kosten sind identisch. Dies betrifft sowohl die Vorbereitungsphase als auch die Eingriffsdurchführung und die direkte Nachbetreuung. Nicht identisch sind dagegen die mittelbis langfristigen Folgekosten.
Hieraus ergibt sich ein Gesamtbedarf von minimal 1,2 und maximal 2,0 Stents pro PTCA. Diese Werte werden als Unterund Obergrenze für die Sensitivitätsanalyse verwendet. In der Basisfall-Analyse wird ein Durchschnittswert von 1,6 Stents pro PCI angenommen.
Kostenimplikation reduzierter Anzahl Restenosen
Die Kostenimplikationen der reduzierten Zahl klinischer Restenosen werden anhand eines Kostenmodells bestimmt. Diese Bewertung musste folgende 9 Parameter berücksichtigen:
1. Betrachtete Patientenpopulation
Das verwendete Kostenmodell geht vereinfachend von identischen Patientenpopulationen im Falle des DES-Einsatzes einerseits und des BMS-Einsatzes andererseits aus. Dies entspricht den Gegebenheiten in den international durchgeführten klinischen Endpunktstudien, in denen der Entscheid über den DESoder BMS-Einsatz nach erfolgtem Patienteneinverständnis per Randomisierung erfolgte [
4,
5] und den Gegebenheiten in den Schweizer Registern [
2,
3].
2. Klinischer Verdacht auf Restenose nach 6–9 Monaten
Im Rahmen der klinischen Studien zum DES-Einsatz erfolgte bei allen Patienten eine Koronarangiographie nach 6–9 Monaten. In der Metaanalyse dieser Studien wurde eine angiographische Restenose-Rate von 5,3% bei den DES-Patienten und von 31,6% bei den BMS-Patienten ermittelt. Da in der klinischen Praxis nach dem Stenting keine routinemässige Koronarangiographie durchgeführt wird, können diese Zahlen nicht für die Berechnung der Kostenfolgen des DES-Einsatzes verwendet werden. Aufgrund klinischer Erfahrung kann davon ausgegangen werden, dass in zwei Dritteln der Fälle mit Verdacht auf eine klinische Restenose eine Restenose-TLR erforderlich wird. Aus den bekannten TLR-Raten kann daher auf die Restenose-Verdachtsraten rückgeschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit eines klinischen Restenose-Verdachts nach 6–9 Monaten beträgt demnach konservativ 5,0% bei Verwendung von DES und 22,2% bei Verwendung von BMS. Für die Sensitivitätsanalyse können minimale Verdachtsraten von 3,8% bei Verwendung von DES und von 13,7% bei Verwendung von BMS angenommen werden. Es können maximale Verdachtsraten von 6,5% bei Verwendung von DES und von 25,1% bei Verwendung von BMS angenommen werden.
3. Koronarangiographien bei Verdacht auf klinische Restenose
Es wird angenommen, dass bei Verdacht auf das Vorliegen einer klinischen Restenose in allen Fällen eine Koronarangiographie durchgeführt wird, was der gängigen klinischen Praxis entspricht.
4. Wahrscheinlichkeit einer TLR nach 6–9 Monaten
Das relative Risiko einer Restenose-bedingten TLR beim Einsatz von DES anstelle von BMS beträgt gepoolt 0,25 (95%-Konfidenzintervall 0,18–0,35). Die gefundenen relativen Risiken waren im Direktvergleich der durchgeführten Studien sehr konsistent, d.h. in Studien mit erhöhtem Risiko im DES-Ast war auch das Risiko im BMS-Ast erhöht. In der Sensitivitätsanalyse werden die TLR-Raten der beiden Verfahren daher gleichsinnig variiert. Das absolute Risiko einer Restenose-bedingten TLR-Massnahme liegt in der Metaanalyse aller bis heute publizierten randomisierten klinischen Studien zum DESversus BMS-Einsatz konsistent bei 14,8% für BMS und 3,3% für DES nach 6–9 Monaten. Die Untergrenzen für die Sensitivitätsanalyse, basierend auf den in der Metaanalyse ermittelten 95%-Konfidenzintervallen, betragen 13,1% für BMS und 2,5% für DES. Die Obergrenzen betragen 16,7% für BMS und 4,3% für DES.
Die Validität dieser Werte wird durch weitere Befunde erhärtet: Register mit Beobachtungszeiten bis zu 24 Monaten rapportieren bei DES-Einsatz in der täglichen kardiologischen Routine identische TLR-Raten von 3,3%, was mit den Resultaten der Metaanalyse der Originalpublikationen nach 6–9 Monaten übereinstimmt. Zusätzlich wurden vor kurzem die Ergebnisse zweier Schweizer Register veröffentlicht: Goy et al. rapportierten bei 183 Patienten 7 ± 2 Monate nach PCI und DES-Implantation eine TLR-Rate von nur 1,6% [
2]. Urban et al. präsentierten am SGK-Kongress im Juni 2004 die erste Zwischenanalyse eines Registers von 505 Patienten mit Cypher-Stent-Implantation. Nach 6 Monaten betrug die TLR-Rate 2,6% [
3]. Diese Resultate aus der täglichen Praxis bestätigen, dass die in klinischen Studien erreichten Resultate mit DES auch in der Schweiz reproduzierbar sind. Sie belegen ausserdem, dass die für die Sensitivitätsanalyse gewählte untere Grenze von 2,7% eher konservativ ist.
Erste Daten aus Langzeitbeobachtungsstudien bestätigen, dass der Befund niedriger TLR-Raten nach 6–9 Monaten auch bei Beobachtungszeiten bis zu 18 Monaten vollumfänglich erhalten bleibt. In der Followup-Publikation der SIRIUS-Studie liegt die TLR-Rate nach 12 Monaten bei 20% unter BMS und bei 4,9% unter DES, was darauf hinweist, dass der Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen sich auch zwischen dem 6. und 12. Monat weiter zugunsten der DES-Gruppe vergrössert hat [
6]. In der Follow-up-Publikation der TAXUS-I-Studie wird auch nach 18 Monaten eine TLR-Rate von 0% zu Gunsten der mit DES behandelten Gruppe rapportiert [
7]. Drei Endpunktstudien haben die TLR-Raten nach BMS und koronarer Bypass-Operation (CABG) ein Jahr nach der Intervention verglichen. Die TLR-Raten nach BMS-Implantation betrugen 14,5–16,8% [
8].
Verschiedene Subgruppen von Patienten weisen zwar unterschiedliche absolute Restenose-Raten und TLR-Raten auf, die relativen TLR-Risiken im Vergleich der DES mit den BMS sind jedoch fast identisch [
4,
5,
6]. Wie sich die unterschiedlichen «TLR-Niveaus» verschiedener Subgruppen von Patienten auf die durchschnittlichen Gesamtkosten auswirken, wird beispielhaft anhand der Resultate von Moses et al. gezeigt [
5].
5. Langzeitstabilität der beobachteten Effekte
Im Vergleich der DES-Patienten wurden mit den BMS-Patienten zwar stark unterschiedliche Revaskularisationsraten aufgrund von Restenosen beobachtet, jedoch keine Unterschiede auf der Ebene der Myokardinfarktraten
post-PCI, der Reinfarktraten
post-PCI oder der Todesfälle aus kardialer Ursache. Ausserdem kann, wie oben dargestellt, davon ausgegangen werden, dass die beobachtete Differenz der Restenose-Raten stabil bleibt oder im Zeitverlauf sogar noch zunimmt [
6,
7]. Deshalb erscheint die Annahme angemessen, dass die mit der Reduktion der Restenose-Raten verbundenen Kostenersparnisse auch langfristig erhalten bleiben.
6. Eingesetzte TLR-Verfahren
Die Verteilung der im Restenose-Fall eingesetzten TLR-Verfahren (Anteile PCI und CABG) ist unabhängig von der Art der primär eingesetzten Stents. Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass im Restenose-Fall ausschliesslich DES eingesetzt werden, da nach erfolgter Erst-Restenose nur noch eine ursächlich wirkende Behandlung in Frage kommt.
Table 1 zeigt das im Kostenmodell verwendete Verhältnis von PCI-TLR und CABG-TLR [
7,
9,
10,
11].
7. Anzahl verwendeter Stents pro PCI
Wie bereits weiter oben erörtert, wird in der Basisfall-Analyse ein Durchschnittswert von 1,6 Stents pro PCI angenommen.
8. Kosten der Koronarangiographien, PCI und CABG-Operationen
Im Jahr 2002 erfolgte durch das Universitätsspital Zürich, in Zusammenhang mit der Ausarbeitung interkantonaler Vergütungsverträge zwischen den Gesundheitsdirektionen, eine detaillierte Erhebung der Betriebskosten der Koronarangiographie ohne und mit PCI. Die ermittelten Kostengrössen werden auch in 2004 noch unverändert weiterverwendet. Damit belaufen sich die Kosten einer unkomplizierten Koronarangiographie auf CHF 5434. In den abgeleiteten ausserkantonalen Verträgen des Kantons Zürich sind, um den Kostenfolgen allenfalls auftretender Komplikationen gerecht zu werden, pauschal CHF 6000 angesetzt. Als Basisfallannahme werden Koronarangiographiekosten von CHF 5700 verwendet. Die Sensitivitätsanalyse verwendet CHF 5400 und CHF 6000 als Unterund Obergrenze.
Aus der gleichen Kostenerhebung geht hervor, dass eine Koronarangiographie mit PCI ohne Komplikationen im Jahr 2002 CHF 11 162 kostete. Unter Berücksichtigung allfälliger Komplikationskosten wird eine PCI in den abgeleiteten interkantonalen Verträgen des Kantons Zürich pauschal mit CHF 14 500 vergütet. Die Kosten einer reinen PCI, ohne Koronarangiographie und ohne Stent-Kosten, liegen zwischen CHF 2700 und CHF 5500. Diese Werte werden als Unterund Obergrenze in der Sensitivitätsanalyse verwendet. In der Basisfall-Analyse wird ein Durchschnittswert der PCI-Kosten (ohne Koronarangiographie und Stent-Kosten) in Höhe von CHF 4100 eingesetzt.
Unter Verwendung der Basisfallannahmen ergeben sich Kosten der PCI inklusive Koronarangiographie und Stent-Kosten in Höhe von CHF 13 973 bei Verwendung von DES und in Höhe von CHF 12 299 bei Verwendung von BMS. Die absolute Differenz beträgt CHF 1673. Die relativen Mehrkosten einer PCI unter Verwendung von DES anstatt BMS betragen 12,0%.
Die Kosten einer CABG-Operation ohne Komplikationen am Universitätsspital Zürich sind in den interkantonalen Abkommen der Gesundheitsdirektionen auf CHF 38 500 festgelegt. Für CABG-Operationen mit Komplikationen wurden Kosten von CHF 54 000 ermittelt. Da in ungefähr einem Drittel der Fälle noch während der Hospitalisation Komplikationen auftreten (Infektion, Blutung, Herzinfarkt usw.) [
12], liegen die gewichteten Durchschnittskosten einer CABG-Operation bei CHF 43 667. Entsprechend werden in der Basisfall-Analyse CABG-Kosten von CHF 43 667 eingesetzt. Als Unterund Obergrenzen für die Sensitivitätsanalyse werden CHF 38 500 und CHF 54 000 verwendet.
9. Differenzen auf der Ebene sonstiger medizinischer Ressourcen-Verbräuche
Im Vergleich der DES-Patienten mit den BMS-Patienten wurden zwar stark unterschiedliche Revaskularisationsraten aufgrund von Restenosen beobachtet, jedoch keine Unterschiede auf der Ebene der Myokardinfarktraten
post-PCI, der Reinfarktraten
post-PCI oder der Todesfälle aus kardialer Ursache. Aufgrund der geringeren Restenose-Raten bei ansonsten identischem klinischen Verlauf lässt sich vermuten, dass im Falle des DES-Einsatzes weitere medizinische Ressourcen-Verbräuche (z.B. Konsultationen, Belastungstests usw.) reduziert sind. Mangels Daten kann dieser Effekt jedoch nicht quantifiziert werden. Dieser Aspekt lässt tendenziell eine zu ungünstige Beurteilung des DES-Einsatzes durch das Kostenmodell erwarten (
Table 2).
Die Kostenfolgenschätzungen auf der gesamtschweizerischen Ebene erfordern als Vergleichsgegenstand ein Szenario, das für alle Erst-PCI BMS verwendet. Dieses Szenario widerspricht jedoch der medizinischen Realität, da nach Angaben der Arbeitsgruppe für interventionelle Kardiologie der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie und von Santésuisse Ende des Jahres 2003 bereits 75% aller in der Schweiz eingesetzten Stents DES waren.
Die für die Kostenfolgenabschätzung auf gesamtschweizerischer Ebene erforderlichen zusätzlichen Inputparameter und Annahmen sind (1.) die Entwicklung kardialer Revaskularisationen in der Schweiz und international, (2.) der DES-Einsatz und die Zunahme der kardialen Revaskularisationen in der Schweiz, (3.) angebotsseitige Einflüsse, d.h. die Fähigkeit, der prognostizierten Mengenentwicklung gerecht zu werden.
Für die Schätzung der gesamtschweizerischen Kostenfolgen werden nachstehend vier Szenarien vorgestellt und diskutiert. Da der DES-Einsatz de facto bereits 75% beträgt, wird nicht wie sonst üblich von einer schrittweisen Einführung ausgegangen. Vielmehr wird die Option eines ausschliesslichen BMS-Einsatzes im Bereich aller primären PCI mit der Option eines ausschliesslichen DES-Einsatzes im Bereich aller primären PCI verglichen. Für PCI aufgrund von Restenosen wird von einem ausschliesslichen DES-Einsatzes ausgegangen.
Im ersten Szenario wird für die primären Revaskularisationen ein Wachstum von 1,5% pro Jahr gegenüber dem Vorjahreswert angenommen. Weiterhin wird angenommen, dass kein weiterer Ersatz von primären CABG-Operationen durch PCI erfolgt. Im zweiten Szenario ist die Wachstumsrate der primären Revaskularisationen auf 5,5% pro Jahr erhöht. Im dritten und vierten Szenario werden die Berechnungen für die Szenarien 1 und 2 wiederholt, es wird jedoch angenommen, dass im Falle des DES-Einsatzes ein weiterer Ersatz von CABG-Operationen durch PCI erfolgt. Als Werte für die durchschnittliche Kostendifferenz zwischen DES-Einsatz und BMS-Einsatz auf der Patientenebene werden in allen Szenarien die Ergebnisse der Basisfall-Analyse sowie des «worst case scenario» verwendet. Zusätzlich werden für alle PCI, die CABG-Operationen bei Mehrast-Koronaropathien ersetzen, erhöhte DES-Kosten verrechnet, entsprechend einem Durchschnitt von 2,5 implantierten DES.