Hintergrund
Nach Gabe eines ACE-Hemmers konnte in randomisierten klinischen Studien eine reduzierte Mortalität und Morbidität bei Patienten mit symptomatischer und asymptomatischer Herzinsuffizienz und systolischer Funktionsstörung nachgewiesen werden. ACE-Hemmer reduzierten ebenso kardiovaskuläre Ereignisse nach Myokardinfarkt, bei Diabetikern und Patienten mit Hypertonie sowie bekannter vaskulärer Erkrankung (peripher-arterielle, zerebrovaskuläre). Die kürzlich publizierte EUROPA-Studie [
1] (in Zusammenhang mit der HOPE-Studie [
2]), liess die Vermutung zu, dass die pleiotropen Effekte der ACE-Hemmer eine Regredienz der Atherosklerose bei Patienten mit vaskulären Risikofaktoren herbeiführen könnte und sich positiv auf das Überleben auswirkt [
3].
Fragen
Nach der EUROPAund der HOPE-Studie stellte sich die Frage, ob der Überlebensvorteil und die Verhinderung kardiovaskulärer Ereignisse durch Erweiterung der Medikation mit Trandolapril bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit auch weiterhin gegeben ist, wenn diese Patienten nach dem aktuellen Standard hinsichtlich medikamentöser Therapie und Revaskularisationsmassnahmen behandelt werden.
Quelle
New England Journal of Medicine 2004; 351:2058–68 [
4].
Studiendesign und Ziel [5]
Internationale, randomisierte, doppelblinde, Multizenter-Studie, stratifiziert nach Studienzentrum. Zuerst wurden alle möglichen Patienten in einer «run-in»-Phase für zwei Wochen mit Trandolapril (Gopten®) 2 mg/Tag behandelt. Patienten, welche eine schlechte Compliance, Nebenwirkungen oder einen Anstieg des Serum-Kreatinins hatten, wurden daraufhin ausgeschlossen. Alle übrigen Patienten, welche sich einverstanden erklärten, wurden dann zwischen November 1996 und Dezember 2003 in den Ländern USA, Kanada und Italien in insgesamt 187 Zentren randomisiert zu 4 mg/Tag Trandolapril oder Plazebo. Der mittlere Beobachtungszeitraum betrug 4,8 Jahre (maximal 7 Jahre).
Im Februar 2002 wurde im Steering Committee aufgrund der erheblichen Evidenz anderer Studien beschlossen, dass der ACEHemmer als «open-label» an Diabetiker mit Proteinurie oder Mikroalbuminurie oder Bluthochdruck abgegeben wird.
Das Ziel der «Prevention of Events with Angiotensin Converting Enzyme Inhibition (PEACE)»-Studie war, die Hypothese zu testen, ob ein ACE-Hemmer «on-top» einer konventionellen Therapie, die Rate an nicht-tödlichen Herzinfarkten, den kardiovaskulären Tod oder die Revaskularisierung bei Patienten mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko und stabiler chronischer Angina pectoris und normaler oder wenig eingeschränkter linksventrikulärer Auswurffraktion vermindert.
Methoden
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Alter grösser 50 Jahre
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Koronare Herzkrankheit
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Linksventrikuläre Auswurffraktion grösser oder gleich 40%
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Einnahme oder Kontraindikation für einen ACE-Hemmer oder AT-II-Antagonisten
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Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris innerhalb der letzten 2 Monate
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Intendierte chirurgische Korrektur einer valvulären Herzkrankheit
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Aortokoronare Bypass-Operation (AVBP) oder perkutane Intervention innerhalb der letzten 3 Monate
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Serum-Kreatinin >177 mmol/l (2,0 mg/dl)
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Serum-Kalium >5,5 mmol/l
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Eingeschränkte 5-Jahres-Überlebenschance
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Psychosoziale Kondition, welche eine längerfristige Adhärenz beeinträchtigt
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Keine Einwilligung
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Frauen im gebärfähigen Alter ohne Kontrazeptiva
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Andere Studienteilnahme
Primärer Endpunkt
Ursprünglich bis 1997: kardiovaskulärer Tod und nicht-tödlicher Myokardinfarkt; nach 1997: Erweiterung des kombinierten Endpunktes mit zusätzlich Revaskularisierung (wegen Reduktion der einzuschliessenden Patientenzahl).
Sekundäre Endpunkte
Verschiedene Kombinationen aus: Instabile Angina pectoris, neu aufgetretene Herzinsuffizienz, Schlaganfall, peripher-arterielle Verschlusskrankheit, kardiale Arrhythmien. Zusätzlich werden sogenannte – vorher spezifizierte – Analysen durchgeführt: primäre Endpunkte der HOPEund EUROPA-Studien, Hospitalisationen und Todesfälle durch neu auftretende Herzinsuffizienz und die Inzidenz von Diabetes mellitus.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 8290 Patienten (mittleres Alter 64 Jahre, 18% Frauen) randomisiert. Patienten in der Trandolapril-Gruppe hatten einen statistisch höheren Frauenanteil (19%
vs. 17%), hatten mehr Diabetes mellitus (18%
vs. 16%) und anamnestisch einen Schlaganfall oder ein TIA (7%
vs. 6%). Ansonsten waren die Häufigkeit demographischer und klinischer Basisdaten durch die Randomisierung gleich verteilt. Der mittlere Blutdruck lag bei 134/78 mm Hg. 90% hatten Aspirin, 70% einen Cholesterin-Senker und 60% einen Betablocker. Der primäre Endpunkt (siehe
Figure 1; p = 0,43) sowie alle geplanten sekundären Analysen waren statistisch nicht signifikant. Hingegen konnte in der Post-hoc-Analyse eine signifikante Reduktion der Inzidenz von Typ-2Diabetes in der Trandolapril-Gruppe gefunden werden. Zusätzlich wurde die Anzahl der Hospitalisationen oder Todesfälle wegen einer Herzinsuffizienz signifikant herabgesetzt (p = 0,02).
Die Compliance mit der Studienmedikation ist in
Table 1 aufgelistet. Sie ist vergleichbar mit anderen grossen MultizenterStudien. Nach 3 Jahren nahmen noch knapp drei Viertel aller Patienten in der Trandolapril-Gruppe die Studienmedikation ein.
Das Blutdruckverhalten zu Beginn der Untersuchung und nach 36 Monaten ist in
Figure 2 dargestellt. Patienten in der Trandolapril-Gruppe hatten im Durchschnitt eine Blutdrucksenkung von 4,4/3,6 mm Hg gegenüber 1,4/2,4 mm Hg (p <0,001) in der Plazebo-Gruppe.
Das Nebenwirkungsspektrum ist in
Table 2 aufgelistet. Die häufigste Nebenwirkung war das Auftreten eines trockenen Reizhustens bei fast 40% der Patienten mit Trandolapril. Dies führte in 14,4% zum Absetzen der Studienmedikation.
Bemerkung: Von den 5 Patienten mit Angioödem in der Plazebo-Gruppe erhielten 2 einen «Open-label»-ACE-Hemmer.
Kommentar
Die PEACE-Studie ist ein gutes Beispiel für eine langjährige Multizenter-Studie mit negativem Endergebnis, welche trotzdem in einem hoch angesehenen Journal veröffentlicht wird, und somit der Fehler vermieden wird (publication bias), dass lediglich Industrie-gesponsorte «positive» Studien publiziert werden. Nachdem bereits der uneingeschränkte Gebrauch der ACE-Hemmer bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung unabhängig von der linksventrikulären systolischen Funktion nach der Veröffentlichung der HOPEund der EUROPA-Studie postuliert wurde, muss nach der vorliegenden PEACEStudie differenziert werden [
6].
Zunächst gilt es noch einmal, die unterschiedlichen Patientencharakteristika der PEACE-Studie im Vergleich mit HOPE und EUROPA darzustellen.
- -
waren das Cholesterin-Profil und das Kreatinin normal.
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entspricht der Blutdruck bei Beginn der PEACE-Studie dem Blutdruck der HOPE/EUROPA-Studie unter Therapie.
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nahm die Mehrzahl der Patienten eine Cholesterin-senkende Medikation ein (70% in PEACE vs. 29% HOPE, bzw. 56% EUROPA).
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wurden 72% innerhalb des Beobachtungszeitraumes revaskularisiert (vs. 40% HOPE bzw. 54% EUROPA).
Die PEACE-Studie behandelte also eine Gruppe von Patienten mit ausgebauter Komedikation und hohem Anteil an durchgeführten Revaskularisationsmassnahmen, bei denen die zusätzliche Gabe eines ACE-Hemmers keinen Benefit brachte. Dies ist bereits in der Originalpublikation sehr anschaulich als Vergleich der Ereignisraten in der HOPE-Studie und der Plazebo-Gruppe in der PEACE-Studie dargestellt (
Figure 3).
Eine Erklärung kann durch den erhöhten Gebrauch der Statine in der PEACE-Studie versucht werden. ACE-Hemmer und Statine wirken ähnlich hinsichtlich der Aktivierung von Lektin-ähnlichen oxidierten LDL-Rezeptoren, welche die Reduktion der LDL-Cholesterin-Oxidation zur Folge haben. Der hohe Anteil an Patienten mit Cholesterin-Senkern reduziert somit den ACE-Hemmer-Einfluss auf die LDL-Cholesterin-Oxidation. Weiterhin ist ein positiver Einfluss der ACE-Hemmer auf die Endothelfunktion nur bei hohem LDLCholesterin nachgewiesen, so dass in diesem Patientenkollektiv wahrscheinlich ohnehin keine Verbesserung der Endothelfunktion zu erwarten gewesen wäre [
7].
ACE-Hemmer sind somit nicht automatisch bei allen Patienten mit koronarer Herzkrankheit einzusetzen, ausser es liegt ein erhöhtes LDL-Cholesterin, unkontrollierte kardiovaskuläre Risikofaktoren oder eine klinisch instabile Situation vor.