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Das Paradoxe EKG

by
Dimitri Patriki
and
David Altmann
*
Klinik für Kardiologie, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen, Switzerland
*
Author to whom correspondence should be addressed.
Cardiovasc. Med. 2015, 18(6), 198; https://doi.org/10.4414/cvm.2015.00338
Submission received: 24 March 2015 / Revised: 24 April 2015 / Accepted: 24 May 2015 / Published: 24 June 2015
Ein 18-jähriger, kreislaufstabiler Patient stellt sich mit einer Breitkomplextachykardie auf der Notfallstation vor. In den letzten Monaten kam es mehrfach zu plötzlich beginnenden und endenden Palpitationen. Zu Beginn der Beschwerden besteht leichter Schwindel, ohne dass es bisher zu einer Synkope kam. Die Palpitationen dauern zunehmend länger und treten belastungsunabhängig auf. Die aktuellen Beschwerden bestehen seit zwei Stunden und lassen sich nicht durch vagale Manöver terminieren. Das Routinelabor inklusive kardiale Biomarker ist im Normbereich und eine kursorische Echokardiographie zeigt keine Auffälligkeiten. Es sind keine Risikofaktoren oder Vorerkrankungen zu erheben.
Das EKG bei Aufnahme ist in Abb. 1 auf der linken Seitenhälfte zu sehen (Breitkomplextachykardie). Aufgrund der Befunde und der Anamnese wurde eine supraventrikuläre Tachykardie mit aberranter atrioventrikulärer Leitung angenommen und mittels intravenöser Adenosingabe ein Konversionsversuch unternommen. Abb. 1 zeigt das EKG während der Adenosingabe.
1. 
Welche Breitkomplextachykardien kommen bei Pa tienten ohne strukturelle Herzerkrankung vor?
2. 
Welche Diagnose können sie aufgrund des EKG nach Gabe von Adenosin (Abb. 1) stellen?
Abbildung 1. Extremitätenableitungen während Adenosin-Gabe. Links: Monomorphe Breitkomplextachykardie, Herzfrequenz 188/min. Aufgrund des verbreiterten (QRS-Dauer >0.12 sek.) und des deformierten QRS-Komplexes in I und aVL mit verspätetem oberem Umschlagspunkt (Zeitpunkt der endgültigen Negativitätsbewegung) in Ableitung I und aVL kann ein Linksschenkelblock angenommen werden (Brustwandableitungen nicht verfügbar). Rechts: Schmalkomplextachykardie, Herzfrequenz 206/min. Anschlies send Terminierung der Tachykardie gefolgt von einem Sinusknotenarrest und Wiederbeginn der Sinusknotenaktivität mit normalem PQ-Intervall. Der Endteil des QRS- Komplexes während der Tachykardie ist im Vergleich zum QRS-Komplex nach dem Sinusknotenimpuls deformiert, was eine retrograde atriale Erregung vermuten lässt (Short-RP-Tachykardie).
Abbildung 1. Extremitätenableitungen während Adenosin-Gabe. Links: Monomorphe Breitkomplextachykardie, Herzfrequenz 188/min. Aufgrund des verbreiterten (QRS-Dauer >0.12 sek.) und des deformierten QRS-Komplexes in I und aVL mit verspätetem oberem Umschlagspunkt (Zeitpunkt der endgültigen Negativitätsbewegung) in Ableitung I und aVL kann ein Linksschenkelblock angenommen werden (Brustwandableitungen nicht verfügbar). Rechts: Schmalkomplextachykardie, Herzfrequenz 206/min. Anschlies send Terminierung der Tachykardie gefolgt von einem Sinusknotenarrest und Wiederbeginn der Sinusknotenaktivität mit normalem PQ-Intervall. Der Endteil des QRS- Komplexes während der Tachykardie ist im Vergleich zum QRS-Komplex nach dem Sinusknotenimpuls deformiert, was eine retrograde atriale Erregung vermuten lässt (Short-RP-Tachykardie).
Cardiovascmed 18 00198 g001
1.
Eine regelmässige Breitkomplextachykardie sollte primär als ventrikuläre Tachykardie beurteilt werden, insbesondere bei Vorliegen einer strukturellen Herzerkrankung [1]. Eine supraventrikuläre Tachykardie kann sich jedoch bei einem leitungsrefraktären Tawara-Schenkel im EKG mit einem Schenkelblockbild manifestieren. Diese Schenkelblöcke zeigen ein typisches Blockbild und sind frequenzabhängig und damit reversibel. Ein funktioneller Schenkelblock kann bei jeder supraventrikulären Tachykardie, welche den AVKnoten als antegrade Leitung verwendet, vorkommen. Das sind die atrioventrikuläre Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT), die orthodrome atrioventrikuläre Reentrytachykardie (AVRT) und die atriale Tachykardie. Eine antidrome AVRT manifestiert sich immer als Breitkomplextachykardie. Dieser Reentrymechanismus ist selten und benutzt die akzessorische Leitungsbahn als antegraden Leitungsweg (im Gegensatz zur orthodromen AVRT, welche den AV-Knoten als antegraden Leitungsweg nutzt). Er führt zu einem atypischen veränderten QRS-Komplex, da die Ventrikeldepolarisation von Zelle zu Zelle erfolgt, was viel langsamer geschieht als durch das His-Purkinje-System. Dadurch resultiert ein (sehr) breiter QRS-Komplex (maximale Präexzitation). Bei Patienten ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren und mit unauffälliger kardialer Bildgebung kommt auch eine idiopathische Ausflusstrakt-Kammertachykardie in Frage. Diese zeigt typischerweise einen Linksschenkelblock und eine inferiore Achse auf (QRS in II, III, aVF positiv). Eine weitere, seltene Breitkomplextachykardie, die bei Herzgesunden und auch bei Kardiomyopathien auftreten kann, ist die faszikuläre Tachykardie.
2.
Das EKG in Abbildung 1 (nur Extremitätenableitungen vorhanden) während der Adenosin-Gabe zeigt zu Beginn eine monomorphe Breitkomplextachykardie mit einer Frequenz von 188/min ohne erkennbare PWellen. Aufgrund der breiten rS-Zacken in I und aVL mit tiefen S-Zacken in den inferioren Ableitungen kann auf einen Linksschenkelblock geschlossen werden. Allerdings besteht eine superiore Achse (I positiv), und der schmale QRS-Komplex vor Terminierung der Tachykardie kann nicht durch eine idiopathische Ausflusstrakttachykardie erklärt werden. Im Falle einer atrialen Tachykardie würde man bei Auftreten eines AV-Blocks P-Wellen ohne darauf folgenden QRS-Komplex erwarten. Es gibt allerdings auch Adenosin-sensitive atriale Tachykardien, und P-Wellen könnten im verbreiterten QRS-T-Komplex versteckt sein [2].
Bei genauerer Betrachtung des EKG fällt allerdings eine Veränderung der Herzfrequenz mit Auftreten des schmalen QRS-Komplexes auf. Es kommt, kurz bevor die Tachykardie terminiert, während des Schmalkomplexrhythmus zu einer Beschleunigung der Herzfrequenz.
Abbildungen 2. Abb. 2a: Ausschnitt aus Abb. 1. Der Wechsel von der Breit- in die Schmalkomplextachykardie geht mit einer Herzfrequenzbeschleunigung einher. Abb. 2b: Durchgezogene Linie: Reentrykreislauf einer orthodromen atrioventrikulären Tachykardie bei linksseitiger akzessorischer Bahn. Gestrichelte Linie: Reentrykreislauf bei funktionellem Linksschenkelblock. Das Schema zeigt den Reentrymechanismus während einer orthodromen (AV-Knoten dient als antegrader Leitungsweg) atrioventrikulären Reentrytachykardie bei linksseitiger akzessorischer Bahn (AB). Die gestrichelte Linie zeigt den Tachykardiekreislauf bei einem Linksschenkelblock. Solange dieser besteht, ist der Reentrykreislauf länger, da nur der rechte Tawara-Schenkel (RS) benutzt werden kann und sich der elektrische Impuls dann langsam von Zelle zu Zelle ausbreitet, um das linksventrikuläre Purkinje-System wieder zu erreichen, was zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz führt. Sobald der Linksschenkelblock verschwindet, wird der linke Tawara-Schenkel wieder in den Kreislauf einbezogen, womit sich dieser sich verkürzt und die Herzfrequenz beschleunigt wird. Der intermediär breite QRS-Komplex zwischen Linksschenkelblock und schmalem QRS-Komplex ist durch den erst partiell repolarisierten linken Tawara-Schenkel erklärt.
Abbildungen 2. Abb. 2a: Ausschnitt aus Abb. 1. Der Wechsel von der Breit- in die Schmalkomplextachykardie geht mit einer Herzfrequenzbeschleunigung einher. Abb. 2b: Durchgezogene Linie: Reentrykreislauf einer orthodromen atrioventrikulären Tachykardie bei linksseitiger akzessorischer Bahn. Gestrichelte Linie: Reentrykreislauf bei funktionellem Linksschenkelblock. Das Schema zeigt den Reentrymechanismus während einer orthodromen (AV-Knoten dient als antegrader Leitungsweg) atrioventrikulären Reentrytachykardie bei linksseitiger akzessorischer Bahn (AB). Die gestrichelte Linie zeigt den Tachykardiekreislauf bei einem Linksschenkelblock. Solange dieser besteht, ist der Reentrykreislauf länger, da nur der rechte Tawara-Schenkel (RS) benutzt werden kann und sich der elektrische Impuls dann langsam von Zelle zu Zelle ausbreitet, um das linksventrikuläre Purkinje-System wieder zu erreichen, was zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz führt. Sobald der Linksschenkelblock verschwindet, wird der linke Tawara-Schenkel wieder in den Kreislauf einbezogen, womit sich dieser sich verkürzt und die Herzfrequenz beschleunigt wird. Der intermediär breite QRS-Komplex zwischen Linksschenkelblock und schmalem QRS-Komplex ist durch den erst partiell repolarisierten linken Tawara-Schenkel erklärt.
Cardiovascmed 18 00198 g002
Die Herzfrequenzbeschleunigung kann folgendermassen erklärt werden: Durch die Adenosingabe wird die Leitungsgeschwindigkeit im AV-Knoten herabgesetzt. Dadurch erhält der (tachykardiebedingt blockierte) linke Tawara-Schenkel Zeit, sich zu erholen, und der vom Vorhof kommende elektrische Impuls trifft somit auf einen repolarisierten linken Tawara-Schenkel, womit der Impuls wieder über diesen geleitet wird. Dadurch wird der QRS-Komplex wieder schmal (es werden wieder beide Tawara-Schenkel verwendet) und der Reentry-Keislauf verkürzt sich, was zu einer Herzfrequenzbeschleunigung führt. Dies beweist eine orthodrome AVRT mit einer linksseitigen akzessorischen Bahn. Dasselbe gilt bei einer rechtsseitigen akzessorischen Bahn und Rechtsschenkelblock-Aberration, wo der Reentrykreis über den linken Tawaraschenkel verläuft und dadurch verlängert wird. Bei einer linksseitigen akzessorischen Bahn mit Rechtsschenkelblockbild-Aberration bleibt der Reentrykreis allerdings unverändert und die Herzfrequenz bleibt, auch bei Auftreten eines schmalen QRS-Komplexes, gleich.
Zusammenfassend konnte anhand des EKG unter Adenosingabe eine orthodrome AV-Reentrytachykardie bei linksseitiger akzessorischer Bahn mit Linksschenkelblockaberration diagnostiziert werden, was in einer elektrophysiologischen Untersuchung verifiziert werden konnte.

Finanzierung/Interessenkonflikte 

Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert

References

  1. Tchou, P.; Young, P.; Mahmud, R.; Denker, S.; Jazayeri, M.; Akhtar, M. Useful clinical criteria for the diagnosis of ventricular tachycardia. Am J Med. 1988, 84, 53–6. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  2. Blomström-Lundqvist, C.; Scheinman, M.M.; Aliot, E.M.; et al. ACC/ AHA/ESC guidelines for the management of patients with supraventricular arrhythmias--executive summary: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines and the European Society of Cardiology. Circulation. 2003, 108, 1871–909. [Google Scholar] [PubMed]

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MDPI and ACS Style

Patriki, D.; Altmann, D. Das Paradoxe EKG. Cardiovasc. Med. 2015, 18, 198. https://doi.org/10.4414/cvm.2015.00338

AMA Style

Patriki D, Altmann D. Das Paradoxe EKG. Cardiovascular Medicine. 2015; 18(6):198. https://doi.org/10.4414/cvm.2015.00338

Chicago/Turabian Style

Patriki, Dimitri, and David Altmann. 2015. "Das Paradoxe EKG" Cardiovascular Medicine 18, no. 6: 198. https://doi.org/10.4414/cvm.2015.00338

APA Style

Patriki, D., & Altmann, D. (2015). Das Paradoxe EKG. Cardiovascular Medicine, 18(6), 198. https://doi.org/10.4414/cvm.2015.00338

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