Richtlinien 2011 zur Nachkontrolle von Patienten mit Implantierten Herzschrittmachern und Defibrillatoren
Abstract
Einleitung
Ziele der Schrittmacherkontrolle
- -
- Sicherstellung der Patientensicherheit, der korrekten Systemfunktion und des Erreichens der geforderten Behandlungsziele unter Berücksichtigung der Entwicklung seit Implantation.
- -
- Anpassung der Programmierung an die Bedürfnisse der Patienten unter besonderer Berücksichtigung der Hämodynamik und einer optimalen Lebensqualität durch Ausnutzung aller verfügbaren Programmierungsmöglichkeiten.
- -
- Optimale Ausnutzung der Batteriekapazität unter Gewährleistung der Patientensicherheit.
- -
- Frühzeitige Erkennung einer bevorstehenden Batterie-Erschöpfung.
- -
- Erkennung und Behebung von System-Dysfunktionen.
- -
- Information des Patienten undseines Umfeldes über das implantierte Gerät, insbesondere über das Verhalten im Alltag, über mögliche elektromagnetische Störquellen und über allfällige Dysfunktionen.
- -
- Frühestmögliches Ergreifen aller notwendigen Massnahmen im Falle einer «field safety corrective action».
- -
- Information des Patienten bzw. der behandelnden Ärzte über perioperative Massnahmen im Falle eines chirurgischen Eingriffs.
- -
- Besprechung und Dokumentation allfälliger Einschränkungen im Berufsleben.
- -
- Sicherstellung der langfristigen Patientensicherheit durch das Führen einer Datenbank, welche sowohl die Ergebnisse der technischen Kontrollen als auch die klinisch relevanten Daten beinhaltet (eingeschlossen eventuelle Komplikationen).
- -
- Ausstellen und Nachführen des Geräteausweises.
Inhalt einer Schrittmacherkontrolle (Minimal-Anforderung)
- 1.
- Die gezielte Anamnese
- -
- Je nach Situation Schwindel, Synkopen, Palpitationen, Herzinsuffizienz, Angina pectoris, Logenprobleme, Infektzeichen, Muskelzucken, Medikamente, berufliche Tätigkeiten, relevante Freizeitaktivitäten.
- 2.
- Problemorientierter Status
- -
- Herzrhythmus und -frequenz in Ruhe, Blutdruck, Herzinsuffizienzzeichen, Beurteilung der Schrittmachertasche, Hinweise auf extrakardiale Stimulationen.
- 3.
- Die Elemente der technischen Kontrolle des Schrittmachersystems:
- -
- Abfrage der aktuellen Programmierung und Telemetrie der aktuellen Elektrogramme.
- -
- Beurteilung des Batteriezustandes (Impedanz, Spannung, bei gewissen Systemen evtl. mit Magnetauflage).
- -
- Messung der Elektrodenimpedanzen, der Empfindlichkeits-Schwellen (P/R-Wellen-Amplituden) und der Stimulations-Reizschwellen.
- -
- Überprüfung aller verfügbaren diagnostischen Angaben wie Herzfrequenzprofil, prozentuale Beanspruchung des Schrittmachers im Vergleich zum Eigenrhythmus, Sensorfunktion bei frequenzadaptiven Systemen, Analyse aufgezeichneter Arrhythmien bzw. Messwerte und Elektrogramme.
- -
- Prüfung und EKG-Dokumentation des allfälligen Eigenrhythmus von Vorhof und Kammer sowie Beurteilung der AV-Überleitung.
- -
- Allfällige Anpassung der Programmierung aufgrund der erhobenen Daten und der aktuellen Bedürfnisse des Patienten.
- -
- Dokumentation der neuen (evtl. geänderten) Programmierung.
Inhalt/Leistung einer ICD-Kontrolle (Minimalanforderung)
- In der Anamnese zusätzlich:
- -
- Die Erfassung von Folgen antitachykarder Therapien, insbesondere auch deren möglichen psychosozialen Auswirkungen.
- -
- Die Risikoeinschätzung bezüglich Eigen- und Fremdgefährdung im Rahmen von beruflichen Tätigkeiten oder Aktivitäten in der Freizeit durch tachykarde Rhythmusstörungen bzw. durch deren Therapie.
- -
- Die Abstimmung der medikamentösen Therapie von Rhythmusstörungen bzw. der Herzinsuffizienz.
- Im Status die besonders sorgfältige Evaluation im Hinblick auf Herzinsuffizienzzeichen.
- In der technischen Kontrolle zusätzlich:
- -
- Die Beurteilung des Kondensators (Ladezeiten) und die Integritätsbeurteilung der Hochvoltleiter.
- -
- Die besonders detaillierte Analyse der gespeicherten Elektrogramme im Hinblick auf deren supraventrikulären oder ventrikulären Ursprung und die kritische Beurteilung der Geräteinterventionen.
- -
- Die Kommunikation von eventuellen Restriktionen von bestimmten Aktivitäten (Autofahren, Beruf) muss erfolgen und in der Patientenakte vermerkt werden. Der Patient muss über die Ergebnisse der letzten Kontrolle und deren Konsequenzen informiert werden.
Apparative Erfordernisse
- -
- Kontinuierliche EKG-Überwachung (Monitor) und EKG-Registrierungsmöglichkeit.
- -
- 12-Ableitungs-EKG bei Bedarf.
- -
- Die für die routinemässigen Nachkontrollen erforderlichen Programmiergeräte müssen vor Ort permanent verfügbar sein.
- -
- Magnet.
- -
- Reanimationsausrüstung, inklusive externer Defibrillator und transkutane Stimulation.
- -
- Technische Dokumentation der verwendeten Systeme und Programmiergeräte.
- -
- Unmittelbarer Zugriff auf alle offiziellen Mitteilungen im Rahmen von sog. «field safety corrective actions».
- -
- Kontaktadressen und Telefonnummern der Herstellerfirmen bzw. deren Vertreter.
- -
- Eine EDV-geschützte Datenbank ist dringend empfohlen.
- -
- Des weiteren sollten kardiologische Zusatzuntersuchungen wie Ergometrie, Langzeit-EKG, Dopplerechokardiographie und Thorax-Röntgen in nützlicher Frist verfügbar sein.
Allgemeine Voraussetzungen
Dokumentation
Für den Patienten
- -
- Schrittmacherbzw. ICD-Ausweis der Arbeitsgruppe.
- -
- Ausdruck der aktuell programmierten Parameter.
- -
- Name/Adresse des kontrollierenden Arztes bzw. Zentrums.
- -
- Mitteilung allfälliger Einschränkungen in bestimmten Tätigkeiten (Auto fahren, Beruf usw.).
- -
- Information des Patienten über die Ergebnisse der aktuellen Kontrolle und der sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Bericht an den behandelnden Arzt/Kardiologen
- -
- Kardiale Diagnose, Grundkrankheit und Arrhythmiediagnose. Die Indikation zum Pacemaker bzw. ICD (primär, sekundär, CRT).
- -
- Genaue Bezeichnung des implantierten Systems.
- -
- Aktuelle Programmierung.
- -
- Zustand des Systems: Lebensdauer der Batterie, allfällige relevante Probleme.
- -
- Angaben zu gespeicherten Arrhythmieereignissen und abgegebenen Therapien. Aktuelle medikamentöse Therapie.
- -
- Hinweis auf eventuelle dringliche klinische Probleme im Zusammenhang mit dem Grundleiden.
- -
- Hinweis auf eventuelle Veränderungen betreffend die Sicherheit.
- -
- Fahrtauglichkeit, Einschränkungen im Beruf (im Falle von Änderungen).
- -
- Termin der nächsten Kontrolle.
Patientendossier
- -
- Dokumentation der verwendeten Systeme: Elektroden, Generatoren, Konnektoren usw. (Modell, Serien-Nummern usw.).
- -
- Spezifische Eigenschaften dieser Komponenten, inkl. allfälliger Angaben über deren Zuverlässigkeit oder anderer Besonderheiten (z.B. wenn Material von einem Recall oder einer Warnung betroffen ist).
- -
- Dokumentation der für den Notfall vorgesehenen Massnahmen.
- -
- Frühere Implantate oder Komplikationen.
- -
- Angaben über die Schrittmacher-Abhängigkeit des Patienten (z.B. Dokumentation des Eigenrhythmus).
Kontrollzentrum/-stelle
- -
- Gesamtregister über das überwachte Patientenkollektiv. Ein EDV-gestütztes Register/Datenbank ist dringend empfohlen.
- -
- Das Register beinhaltet Angaben über die kontrollierten Patienten und die verwendeten Systeme (Personalien, Modelle, Seriennummern).
Gewährleisten einer qualitativ hochstehenden Nachsorge
- -
- Jedes Kontrollzentrum betreibt einen 24-Stunden-Notfalldienst für Device-Träger oder hat die nötigen Vorkehrungen mit einem anderen regionalen Zentrum, welches diesen Service bietet, getroffen.
- -
- Um den Qualitätskriterien gerecht zu werden, muss jedes Kontrollzentrum jährlich der Arbeitsgruppe die Indikationen des zu überwachenden Patientenkollektivs liefern (Statistik, Schweizer Register). Die Arbeitsgruppe definiert die diesbezüglichen Anforderungen und stellt die notwendigen Unterlagen zur Verfügung.
Häufigkeit der Kontrollen
- -
- Postoperativ: erste postoperative Kontrolle in den ersten 72 Stunden, spätestens vor Entlassung des Patienten nach dem Eingriff.
- -
- Akute Phase: 2–12 Wochen: Nachkontrolle zur Wundkontrolle; Anpassung der Programmierung an die Bedürfnisse des Patienten und an die chronischen Empfindlichkeits- und Reizschwellen.
- -
- Chronische Phase: VVI-, VDD- und DDD-Schrittmacher alle 3–12 Monate ( im allgemeinen alle 9– 12 Monate); Defibrillatoren und CRT-Systeme: alle 3–6 Monate.
- -
- Dysfunktionen des Systems.
- -
- Verwendung von komplexen Systemen (wie z.B. Antitachykardie-Funktionen, biventrikulären Systeme, Anpassung von aktivitätsgesteuerten Systemen, speziellen Diagnostik-Daten usw.).
- -
- Neuen Ereignissen im Verlauf des Grundleidens.
- -
- Intensivierte Kontrollen bei bevorstehender Batterieerschöpfung: je nach Schrittmachertyp und Indikation werden engmaschigere Kontrollen meist zuerst in 6-, dann 3-monatlichen Abständen notwendig.
Voraussetzungen zur Kontrolle von Herzschrittmachern und Defibrillatoren
Ärztliche Qualifikation
- a)
- Facharzt Kardiologie FMH
- b)
- Erfolgreich bestandene theoretische EHRA-Akkreditierung (www.escardio.org/communities/EHRA)
- c)
- Nachweis von mindestens 250 Herzschrittmacherkontrollen in 3 aufeinanderfolgenden Jahren [8]. Bei Patienten mit CRT-P-Nachweis von mindestens 50 Kontrollen [8] im gleichen Zeitraum. Zur Betreuung von Patienten mit Defibrillatoren müssen mindestens 100 Kontrollen in 3 aufeinanderfolgenden Jahren nachgewiesen werden. Ein Logbuch sollte geführt werden.
- d)
- Für Ärzte, die vor der Veröffentlichung der Richtlinien 2011 die geforderten Bedingungen der Richtlinien 2005 erfüllten, gelten die Punkte b) und c) nicht.
Minimale Anforderungen an das Tätigkeitsvolumen zur Aufrechterhaltung der Qualifikation
- -
- Schrittmacher: mindestens 50 Patienten pro Jahr, d.h. aktive Mitarbeit bei der Schrittmacher-Nachkontrolle von jährlich 50 Patienten (auch als aktive Mitarbeit in der Schrittmacher-Nachkontrolle an einem regionalen Zentrum). Bei Neueröffnung einer Kontrollstelle oder nach dem Erwerben einer EHRA-Akkreditation sollte dieses Tätigkeitsvolumen innert 3 Jahren erreicht werden.
- -
- Resynchronisationssysteme: mindestens 20 Patienten pro Jahr (CRT-P oder CRT-D).
- -
- Defibrillatoren: mindestens 30 Patienten pro Jahr.
Minimale Anforderungen an die Fortbildung im Bereich Device-Therapie und Elektrophysiologie zur Aufrechterhaltung der Qualifikation
Assistenzpersonal
Unterstützung durch Vertreter der Herstellerfirmen/Industrie
Acknowledgments
Conflicts of Interest
References
- Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie Arbeitsgruppe «Herzschrittmacher und Elektrophysiologie». Richtlinien zur Therapie von Herzrhythmusstörungen mit Herzschrittmachern, implantierbaren Defibrillatoren und perkutaner Katheterablation. Kardiovaskuläre Medizin 2000, 3, 65–71. [Google Scholar]
- Crevoisier, J.-L.; Cron, T.; Vontobel, H.; Zwicky, P.; Gloor, H.; Fuhrer, J.; et al. Richtlinien 2005 zur Nachkontrolle von Patienten mit implantierten Herzschrittmachern. Kardiovaskuläre Medizin 2005, 8. [Google Scholar]
- Gloor, H.; Duru, F.; Nägeli, B.; Schär, B.; Schwick, N.; Fuhrer, J.; et al. Richtlinien 2005 zur Nachkontrolle von Patienten mit implantierten Defibrillatoren. Kardiovaskuläre Medizin 2006, 9, 280–283. [Google Scholar]
- Naccarelli, G.V.; Conti, J.B.; DiMarco, J.P.; Tracy, C.M. Task Force 6: Training in Specialized Electrophysiology, Cardiac Pacing, and Arrhythmia Management: Endorsed by the Heart Rhythm Society. J Am Coll Cardiol 2006, 47, 904–910. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed][Green Version]
- Wilkoff, B.L.; Auricchio, A.; Brugada, J.; Cowie, M.; Ellenbogen, K.A.; Gillis, A.M.; et al. HRS/EHRA Expert Consensus on the Monitoring of Cardiovascular Implantable Electronic Devices (CIEDs): Description of Techniques, Indications, Personnel, Frequency and Ethical Considerations. Europace 2008, 10, 707–725. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
- Vardas, P.E.; Auricchio, A.; Blanc, J.J.; Daubert, J.C.; Drexler, H.; Ector, H.; et al. Guidelines for cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy. The Task Force for Cardiac Pacing and Cardiac Resynchronization Therapy of the European Society of Cardiology. Developed in collaboration with the European Heart Rhythm Association. Europace 2007, 9, 959–998. [Google Scholar] [PubMed]
- Day, J.D.; Curtis, A.B.; Epstein, A.E.; Goldschlager, N.F.; Olshansky, B.; Reynolds, D.W.; et al. Addendum to the clinical competency statement: training pathways for implantation of cardioverter defibrillators and cardiac resynchronization devices. Heart Rhythm 2005, 2, 1161–1163. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
- Merino, J.L.; Arribas, F.; Botto, G.L.; Huikuri, H.; Kraemer, L.I.; Linde, C.; et al. Core curriculum for the heart rhythm specialist: executive summary. Europace 2009, 11, 1381–1386. [Google Scholar] [PubMed]
© 2011 by the author. Attribution - Non-Commercial - NoDerivatives 4.0.
Share and Cite
Burri, H.; Fuhrer, J.; Zwicky, P.; Sticherling, C.; Gloor, H.; Babotai, I.; Bauersfeld, U.; Schläpfer, J. Richtlinien 2011 zur Nachkontrolle von Patienten mit Implantierten Herzschrittmachern und Defibrillatoren. Cardiovasc. Med. 2011, 14, 16. https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01562
Burri H, Fuhrer J, Zwicky P, Sticherling C, Gloor H, Babotai I, Bauersfeld U, Schläpfer J. Richtlinien 2011 zur Nachkontrolle von Patienten mit Implantierten Herzschrittmachern und Defibrillatoren. Cardiovascular Medicine. 2011; 14(1):16. https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01562
Chicago/Turabian StyleBurri, Haran, Jürg Fuhrer, Peter Zwicky, Christian Sticherling, Hans Gloor, Istvan Babotai, Urs Bauersfeld, and Jürg Schläpfer. 2011. "Richtlinien 2011 zur Nachkontrolle von Patienten mit Implantierten Herzschrittmachern und Defibrillatoren" Cardiovascular Medicine 14, no. 1: 16. https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01562
APA StyleBurri, H., Fuhrer, J., Zwicky, P., Sticherling, C., Gloor, H., Babotai, I., Bauersfeld, U., & Schläpfer, J. (2011). Richtlinien 2011 zur Nachkontrolle von Patienten mit Implantierten Herzschrittmachern und Defibrillatoren. Cardiovascular Medicine, 14(1), 16. https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01562