Hintergrund
Mehr als zwei Drittel der Patienten mit chronischer linksventrikulärer systolischer Herzinsuffizienz entwickeln eine pulmonale Hypertonie. Die Folgen sind eine rechtsventrikuläre Dysfunktion und eine Erhöhung des pulmonalen Widerstandes, welche wichtige Determinanten für die Leistungsfähigkeit und die Prognose dieser Patienten sind [2, 3]. Bisher konnte gezeigt werden, dass die einmalige Administration von Sildenafil als selektiver Phosphodiesterasehemmer bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie sekundär zu einer chronischen linksventrikulären systolischen Dysfunktion, zu einer Senkung des pulmonalarteriellen Widerstandes und somit zu einer Leistungsverbesserung führt [
4].
Hypothese und Hauptfragestellung
Führt die prolongierte orale Administration von Sildenafil bei Patienten mit linksventrikulärer Herzinsuffizienz (LVSD) und sekundärer pulmonaler Hypertonie zu einer Senkung des pulmonalen Gefässwiderstandes und damit zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit?
Quellen
1 Lewis GD, et al. Sildenafil improves exercise capacity and quality of life in patients with systolic heart failure and secondary pulmonary hypertension. Circulation. 2007;116:1555–62.
Studiendesign und Ziel
Lewis et al. haben eine Plazebo kontrollierte, doppelt verblindete, randomisierte Einzelcenter-Studie durchgeführt, welche über den Zeitraum von 12 Wochen die Effizienz und Sicherheit der Behandlung mit Sildenafil bei 34 Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz und sekundärer pulmonaler Hypertonie gegenüber Plazebo untersucht hat.
Zu Beginn und nach 12 Wochen wurde eine Echokardiographie, ein kardiopulmonaler Leistungstest mit Rechtherzkatheter, eine Radionucleotid-Ventrikulographie und die Messung der Lebensqualität mittels Fragebogen (Minnesota Living With Heart Failure Questionnaire [MLHFQ]) durchgeführt. Zudem wurde ein 6-Minuten-Gehtest zu Beginn, nach sechs Wochen und nach 12 Wochen durchgeführt. Die initiale Dosierung von Sildenafil war 25 mg oder Plazebo 3mal täglich, welche alle zwei Wochen auf 75 mg dreimal täglich aufdosiert wurde.
Es wurden Patienten über 18 Jahre mit LVSD und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von <40%, einer chronischen Herzinsuffizienz NYHA II–IV trotz Standardtherapie und einer sekundären pulmonalen Hypertonie (definiert als ein mittlerer pulmonalarterieller Druck von >25 mm Hg) eingeschlossen.
Patienten mit einer nichtkardialen Limitation für Bewegungstraining, provozierbarer Ischämie, hämodynamischer Instabilität oder angegangener prolongierter Nitrattherapie wurden ausgeschlossen. Weitere Ausschlusskriterien waren eine konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie, eine kritische Aortenstenose und eine Langzeittherapie mit Medikamenten, welche Zytochrom-P450 3A4 inhibieren.
Die primären Endpunkte waren Effizienz und Sicherheit. Erstere wurde als Unterschied in der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2) während des kardiopulmonalen Leistungstests, Änderung in den hämodynamischen Parametern (Rechtsherzkatheter), in der LVFunktion (mittels Ventrikulographie) und in der Lebensqualität gemessen. Der Endpunkt Sicherheit wurde durch das Auftreten von Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Visusverschlechterung und Hospitalisationsrate gemessen.
Die Firma Pfizer stellte die Studienmedikation zur Verfügung. Keine vertrauliche Absprache bestand zwischen Pfizer und den Autoren. Zwei der Autoren besassen gesponserte Forschungsvereinbarungen mit Pfizer Inc. und waren in deren wissenschaftlichen Beirat tätig.
34 Patienten mit LVSD, Herzschwäche NYHA Klasse II–IV und sekundärer pulmonaler Hypertonie wurden im Zeitraum von 12 Wochen für 3mal täglich Sildenafil oder Plazebo randomisiert. Zudem wurden Patienten eingeschlossen, welche bereits in einer anderen Studie eine einmalige Administration von Sildenafil erhalten hatten. Es gab keine Toten in beiden Gruppen und 2 Patienten pro Gruppe schieden aus der Studie aus. Mit Ausnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC) waren alle Baslineparameter in den beiden Gruppen gleich (Tab. 1).
Tabelle 1. Baseline-Charakteristika.
![Cardiovascmed 11 00099 i001 Cardiovascmed 11 00099 i001]()
Die Sauerstoffaufnahme nach 12 Wochen bei maximaler Belastung als Primäroutcome in der Sildenafilgruppe war grösser (12,2 ± 0,7 vs 13,9 ± 1,0 ml/kg/min; p = 0,02) im Vergleich zur Plazebogruppe (–0,27 ml/kg/min; p = 0,02; Tab. 2). Dies korreliert direkt mit dem pulmonalen Gefässwiderstand in Ruhe (r = 0,74; p = 0,002) und indirekt mit der rechtsventrikulären Funktion in Ruhe (r = –0,64; p = 0,01). Sildenafil reduzierte den pulmonalen Gefässwiderstand und verbesserte die kardiale Auswurfleistung unter Belastung (Tab. 2) ohne Beeinflussung des pulmonalen Verschlussdruckes, des mittleren systolischen pulmonalen Druckes, der Herzfrequenz oder des systemischen Widerstandes. Die Sildenafilbehandlung war assoziert mit einer Verbesserung im 6-Minuten-Gehtest (29 m vs Plazebo; p = 0.047) und mit dem MLHFQ (–14 vs Plazebo; p = 0,01; Tab. 2). In der Sildenafilgruppe gab es weniger Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz und eine höhere Inzidenz von Kopfschmerzen als in der Plazebogruppe.
Tabelle 2. Signifikanzwerte der Änderung der Outcome-Variablen bis zur 12. Woche.
Kommentar
In dieser randomisierten, doppelt verblindeten, plazebokontrollierten Studie konnte durch die 12wöchige Behandlung mit Sildenafil eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit – gemessen durch VO2 und 6-Minuten-Lauftest – sowie eine Steigerung der Lebensqualität bei Patienten mit Herzinsuffizienz und sekundärer pulmonaler Hypertonie – gezeigt werden.
Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit (VO2, 6-Minuten-Gehtest) unter Sildenafil könnte durch eine Verbesserung des kardialen Outputs erzielt worden sein, welcher vor allem durch eine Steigerung der rechtsventrikulären (RV) Funktion (Radionucleotidmessung) und damit durch eine Senkung des pulmonalen und peripheren vaskulären Widerstandes durch Sildenafil zur Nachlastsenkung führte.
Weitere mögliche Mechanismen der Verbesserung der kardialen Auswurfleistung sind der Trend die systemische vaskuläre Resistenz zu vermindern und möglicherweise eine Steigerung der LV-Kontraktilität herbeizuführen.
Sildenafil wurde gut vertragen und resultierte in signifikant weniger Hospitalisationen als in der Placebogruppe. Als Nebenwirkungen traten signifikant mehr Kopfschmerzen in der Sildenafilgruppe auf.
Die Autoren fassen die Studie wie folgt zusammen:
Die Therapie mit Sildenafil in dieser Pilotstudie bei Herzinsuffizienz mit sekundärer pulmonaler Hypertonie ist ein neuer, gut tolerierter Ansatz, selektiv eine pulmonale Vasodilatation herbeizuführen und somit die Herzinsuffizienzprädiktoren VO2, 6-MinutenLauftest, und Lebensqualität zu beeinflussen.
Allerdings bleiben noch folgende Fragen offen:
- (1.)
Die unterschiedlichen, grösstenteils nicht signifikanten Messungen der Surrogatparameter verlangen nach grösseren Studien und Fallzahlen. Somit könnte bei einer angemessenen Power auch über harte Endpunkte wie die Mortalität eine Aussage getätigt werden.
- (2.)
Das bisher vorteilhafte Sicherheitsprofil dieses Medikaments inklusive seiner Dosierung muss ebenfalls in einem grösseren Setting bestätigt werden (cave: exzessive Vorlastsenkung assoziert mit Verminderung der kardialen Auswurfleistung).
- (3.)
Sildenafil scheint bei Herzinsuffizienz und sekundärem pulmonalem Hochdruck einen kurz bis mittelfristigen Benefit für den Patienten zu haben. Jedoch sind wir weit davon entfernt eine Stadardtherapie für alle Herzinsuffizienzpatienten zu etablieren.
- (4.)
War da nicht noch was? LVEF <40%, NYHA Klasse III–IV, volle medikamentöse Therapie … und vielleicht ein Linksschenkelblock. Die Einschlusskriterien würden auch gut zur kardialen Resynchronisations-Therapie passen. Aber das ist dann die nächste Studie: Viagra eluting CRT-devices.