Next Article in Journal
Koronarstenose Und Transthorakale Farbdopplerechokardiographie
Previous Article in Journal
Jahresbericht 2007 der Schweizerischen Arbeitsgruppe für «Kardiale Rehabilitation» (SAKR)
 
 
Cardiovascular Medicine is published by MDPI from Volume 28 Issue 1 (2025). Previous articles were published by another publisher in Open Access under a CC-BY (or CC-BY-NC-ND) licence, and they are hosted by MDPI on mdpi.com as a courtesy and upon agreement with Editores Medicorum Helveticorum (EMH).
Font Type:
Arial Georgia Verdana
Font Size:
Aa Aa Aa
Line Spacing:
Column Width:
Background:
Interesting Images

Vorhofflimmern bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom

by
Tatiana Ulrich
and
Christian Steffen
*
Spital Lachen, Klinik Medizin, Oberdorfstrasse 41, CH-8853 Lachen, Switzerland
*
Author to whom correspondence should be addressed.
Cardiovasc. Med. 2008, 11(10), 321; https://doi.org/10.4414/cvm.2008.01356
Submission received: 24 July 2008 / Revised: 24 August 2008 / Accepted: 24 September 2008 / Published: 24 October 2008

Fallbeschreibung

Eine 51-jährige Frau verspürt kurz nach dem Tennisspielen plötzlich ein schnelles, unregelmässiges, anhaltendes Herzrasen. Nach zwei Stunden sucht sie die Notfallstation auf. Die Herzfrequenz beträgt 170/min, der Blutdruck 120/70 mm Hg. Die Patientin ist kardiopulmonal kompensiert. Kurzes Herzrasen trat sporadisch seit 30 Jahren auf, sistierte aber meistens nach wenigen Minuten spontan oder nach Karotismassage.
Cardiovascmed 11 00321 i001
Im EKG (Figure 1) sehen wir eine Tachykardie um 170/min mit schmalen und breiten Komplexen, welche eine inferiore Hauptachse und Rechtsschenkelblockmorphologie aufweisen. Während der Schmalkomplextachykardie ist eine Mittellage vorhanden. Die Brustwandableitungen zeigen eine regelrechte R-Progression ohne Erregungsrückbildungsstörungen. Die eingestreuten Breitkomplextachykardien weisen teilweise einen gleichen RRAbstand auf. Sie lassen an eine ventrikuläre Tachykardie aus dem linksventrikulären Ausflusstrakt denken.
Entsprechend dem Algorithmus zur Differenzialdiagnose einer Breitkomplextachykardie nach Brugada [1] ist eine Kammertachykardie aber unwahrscheinlich. Da eher eine absolute Arrhythmie bei vermutlichem Vorhofflimmern vorliegt, könnten die verbreiterten QRS-Komplexe durch eine Aberration bedingt sein. Allerdings entspricht die QRSAchse nicht der Insertionsstelle eines rechten oder linken Schenkels. Für eine Torsade de pointes wäre eine oszillierende QRS-Achse pathognomonisch. Die fehlende Ansprache auf Karotismassage spricht gegen eine supraventrikuläre Tachykardie. Am wahrscheinlichsten ist ein anterograd übergeleitetes Vorhofflimmern bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW).
Therapie der Wahl ist die rasche Elektrokonversion. Nach Applikation von 200 Joule stellt sich prompt ein normofrequenter Sinusrhythmus ein. Das Kontroll-EKG (Figure 2) zeigt einen normokarden Sinusrhythmus und eine verkürzte PQ-Zeit (100 ms) mit positiver Delta-Welle in II, III, aVF, V2–V6, isoelektrischem Delta in V1 und q in aVL. Zu vermuten ist ein linkslaterales Bündel [2].
Die Patientin wird nach einer unauffälligen 24-stündigen Rhythmusüberwachung mit Sotalol nach Hause entlassen.
Die elektrophysiologische Untersuchung weist eine linkslaterale akzessorische Bahn nach. Nach Radiofrequenz-Katheterablation verschwinden die Delta-Wellen im Ruhe-EKG (Figure 3).
Die Patientin ist weiterhin beschwerdefrei.

Kommentar

Häufigste Rhythmusstörungen beim WPWSyndrom sind AV-Reentry-Tachykardien (AVRT) mit anterograder (orthodromer) oder retrograder (antidromer) Leitung über den AV-Knoten.
Bei der orthodromen Tachykardie, die 95% aller Reentry-Tachykardien ausmacht, wird die Erregung vom Vorhof durch den AV-Knoten zur Kammer geleitet. Das akzessorische Bündel leitet daraufhin die Erregung von der Kammer an den Vorhof zurück. Bei der seltenen antidromen Tachykardie, welche nur bei 5% der WPW-Patienten vorhanden ist, verläuft die Reizleitung über die akzessorische Bahn zur Kammer und über den AV-Knoten zum Vorhof zurück [3]. Bis zu einem Drittel aller Patienten mit familiärem WPW-Syndrom weisen ein Vorhofflimmern auf.
Tachykardes Vorhofflimmern bei WPWSyndrom kann durch eine 1:1-Überleitung über das schnell leitende akzessorische Bündel ein Kammerflimmern auslösen und somit zum plötzlichen Herztod führen. Je kürzer die anterograde Refraktärzeit des akzessorischen Bündels, desto grösser das Gefährdungspotential. RR-Werte kürzer als 250 ms sprechen für eine potentielle Gefahr eines plötzlichen Herztodes. Andere Risikofaktoren sind männliches Geschlecht, junges Alter, multiple Leitungsbahnen, Status nach symptomatischer Tachykardie, Ebstein-Anomalie sowie familiäres WPW-Syndrom [3]. Ein intermittierendes Auftreten der Delta-Welle im Ruhe-EKG und ein Verschwinden der Delta-Welle bei höherer Herzfrequenz während eines Belastungstests oder nach Applikation eines Natriumkanalblockers deuten auf eine längere anterograde Refraktärzeit und bessere Prognose hin.
Der Bruder der Patientin hatte seit Kindheit rezidivierende AV-Reentry-Tachykardien (Figure 4). Das Ruhe-EKG (Figure 5) zeigte eine negative Delta-Welle in aVL und V6, ein isoelektrisches Delta in I und ein positives Delta in V1–V4. Anlässlich einer elektrophysiologischen Untersuchung 1982 wurde eine links-postero-septale akzessorische Bahn beschrieben. 1994 konnte erfolgreich mittels Radiofrequenzablation eine links-laterale Bahn unterbrochen werden mit Verschwinden der DeltaWelle.
Ungefähr 3,4% der Patienten mit WPWSyndrom haben einen Verwandten ersten Grades mit dieser Erkrankung [4]. Mutter und Tochter der Patientin haben ein normales Ruhe-EKG.
In manchen Familien kann eine Mutation des PRKAG2–Gens in der Chromosomenregion 7q36 nachgewiesen werden. Diese wird autosomal dominant vererbt. Das Gen PRKAG2 kodiert eine Untereinheit der cAMPaktivierten Protein-Kinase (AMPK). Die mutierte Protein-Kinase verursacht einen gestörten intrazellulären Energiehaushalt, der möglicherweise das Persistieren einer aberrierenden Muskelfaser (akzessorische Bahn) verursachen könnte [5]. Praktisch alle Patienten mit dieser Genmutation haben eine hypertrophe Kardiomyopathie. Da unsere Patientin eine normale Echokardiographie aufweist, ist eine genetische Testung nicht sinnvoll.

Behandlung

Die Akuttherapie der Wahl bei Vorhofflimmern und WPW-Syndrom ist bei hämodynamisch instabiler Situation die Elektrokardioversion auf Grund des erhöhten Risikos eines Kammerflimmerns. Bei hämodynamisch stabiler Situation wäre es durchaus gerechtfertigt, entweder ein Antiarrhythmikum der Klasse 1C oder auch Amiodaron intravenös zu verabreichen. Mittels elektrophysiologischer Untersuchung kann die akzessorische Bahn, deren Leitungscharakteristiken sowie deren Erregungsfähigkeit festgestellt werden. Die Erfolgsrate nach Ablation der akzessorischen Bahn liegt bei 95%, die Mortalitätsrate bei 0,2%. Als Komplikationen sind Herztamponade (0,13–1,1%) sowie AV-Block III° (0,17–1,0%) beschrieben [3].
Im Gegensatz zur Behandlung des Vorhofflimmerns bei Patienten ohne Präexzitations-syndrom sind Digoxin, Kalziumantagonisten und Betablocker bei WPW-Syndrom kontraindiziert, da diese die schnelle anterograde Überleitung über die akzessorische Bahn fördern.

References

  1. Brugada, P.; Brugada, J.; Mont, L.; Smeets, J.; Andries, E.W. A new approach to the differential diagnosis of a regular tachycardia with a wide QRS complex. Circulation. 1991, 83, 1649–1659. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  2. Milstein, S.; Sharma, A.D.; Guiraudon, G.M.; Klein, G.T. An algorithm for the electrocardiographic localization of accessory pathways in the Wolff-Parkinson-White syndrome. Pacing Clin Electrophysiol. 1987, 10, 555–563. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  3. Blomström-Lundqvist, C.; Scheinman, M.M.; Aliot, E.M.; Alpert, J.S.; Calkins, H.; Camm, A.J.; et al. ACC/AHA/ESC guidelines for the management of patients with supraventricular arrhythmias: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines and the European Society of Cardiology Committee for Practice Guidelines (Writing Committee to Develop Guidelines for the Management of Patients With Supraventricular Arrhythmias), 2003.
  4. Massumi, R.A. Familial Wolff-Parkinson-White syndrome with cardiomyopathy. Am J Med. 1967, 43, 951–955. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  5. Gollob, M.H.; Green, M.S.; Tang, A.S.L.; et al. Identification of a gene responsible for familial Wolff-Parkinson-White syndrome. N Engl J Med. 2001, 344, 1823–1831. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
Figure 1. Das 12-Kanal-EKG bei Eintritt zeigt eine Tachykardie bis 214/min mit schmalen und breiten Komplexen. Es handelt sich um ein Vorhofflimmern mit schneller Überleitung und intermittierender Breitkomplextachykardie.
Figure 1. Das 12-Kanal-EKG bei Eintritt zeigt eine Tachykardie bis 214/min mit schmalen und breiten Komplexen. Es handelt sich um ein Vorhofflimmern mit schneller Überleitung und intermittierender Breitkomplextachykardie.
Cardiovascmed 11 00321 g001
Figure 2. Das 12-Kanal-EKG nach Elektrokonversion zeigt einen normokarden Sinusrhythmus und eine verkürzte PQ-Zeit (100 ms) mit positiver Delta-Welle in II, III, aVF, V2–V6, isoelektrischem Delta in V1 und q in aVL.
Figure 2. Das 12-Kanal-EKG nach Elektrokonversion zeigt einen normokarden Sinusrhythmus und eine verkürzte PQ-Zeit (100 ms) mit positiver Delta-Welle in II, III, aVF, V2–V6, isoelektrischem Delta in V1 und q in aVL.
Cardiovascmed 11 00321 g002
Figure 3. Das 12-Kanal-EKG nach Radiofrequenz-Katheterablation zeigt einen normofrequenten Sinusrhythmus. Die Delta-Wellen sind verschwunden.
Figure 3. Das 12-Kanal-EKG nach Radiofrequenz-Katheterablation zeigt einen normofrequenten Sinusrhythmus. Die Delta-Wellen sind verschwunden.
Cardiovascmed 11 00321 g003
Figure 4. Das 12-Kanal-EKG des Bruders der Patientin zeigt eine Schmalkomplextachykardie.
Figure 4. Das 12-Kanal-EKG des Bruders der Patientin zeigt eine Schmalkomplextachykardie.
Cardiovascmed 11 00321 g004
Figure 5. Das 12-Kanal-EKG des Bruders der Patientin, Sinusrhythmus 54/min, PQ 0,12 s, QRS 0,12, QT 0,47 mit positiver Delta-Welle in V1–V4, negativer Delta-Welle in aVL, V6 sowie isoelektrischem Delta in I.
Figure 5. Das 12-Kanal-EKG des Bruders der Patientin, Sinusrhythmus 54/min, PQ 0,12 s, QRS 0,12, QT 0,47 mit positiver Delta-Welle in V1–V4, negativer Delta-Welle in aVL, V6 sowie isoelektrischem Delta in I.
Cardiovascmed 11 00321 g005

Share and Cite

MDPI and ACS Style

Ulrich, T.; Steffen, C. Vorhofflimmern bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom. Cardiovasc. Med. 2008, 11, 321. https://doi.org/10.4414/cvm.2008.01356

AMA Style

Ulrich T, Steffen C. Vorhofflimmern bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom. Cardiovascular Medicine. 2008; 11(10):321. https://doi.org/10.4414/cvm.2008.01356

Chicago/Turabian Style

Ulrich, Tatiana, and Christian Steffen. 2008. "Vorhofflimmern bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom" Cardiovascular Medicine 11, no. 10: 321. https://doi.org/10.4414/cvm.2008.01356

APA Style

Ulrich, T., & Steffen, C. (2008). Vorhofflimmern bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom. Cardiovascular Medicine, 11(10), 321. https://doi.org/10.4414/cvm.2008.01356

Article Metrics

Back to TopTop