Next Article in Journal
Zum Abschied von Prof. Dr. med. Otto Martin Hess
Previous Article in Journal
Single-Vessel Versus Multivessel PCI in Patients with Acute Coronary Syndrome and Multivessel Coronary Artery Disease
 
 
Cardiovascular Medicine is published by MDPI from Volume 28 Issue 1 (2025). Previous articles were published by another publisher in Open Access under a CC-BY (or CC-BY-NC-ND) licence, and they are hosted by MDPI on mdpi.com as a courtesy and upon agreement with Editores Medicorum Helveticorum (EMH).
Font Type:
Arial Georgia Verdana
Font Size:
Aa Aa Aa
Line Spacing:
Column Width:
Background:
Interesting Images

Aschenputtel

by
Maria Isbary
,
Christoph Schreen
and
Stefan Christen
*
Innere Medizin, Stadtspital Waid Zürich, CH-8037 Zurich, Switzerland
*
Author to whom correspondence should be addressed.
Cardiovasc. Med. 2011, 14(5), 165; https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01592
Submission received: 25 February 2011 / Revised: 25 March 2011 / Accepted: 25 April 2011 / Published: 25 May 2011

Fallbeschreibung

Ein 72-jähriger Patient wurde uns via Notfallpraxis mit der Verdachtsdiagnose Pneumonie zugewiesen. Klinisch präsentierte sich der Patient afebril, tachydyspnoisch, tachykard (110/min) und normoton. Es bestand ein nicht-produktiver Husten, eine schwere respiratorische Partialinsuffizienz (pO2 5,28 kPa bei Raumluft), auskultatorisch waren feinblasige Rasselgeräusche links basal zu hören. Konventionell radiologisch imponierten Zeichen der pulmonalvenösen Hypertonie mit interstitieller Strukturvermehrung perihilär, vereinbar mit einer interstitiellen Pneumonie, die Herzgrösse lag im oberen Normbereich. Fünf Stunden vor der Spitalaufnahme waren pectanginöse Beschwerden beim Gang auf die Toilette aufgetreten, begleitet von Nausea und Dyspnoe. Die Thoraxschmerzen waren parasternal rechts lokalisiert und strahlten nicht aus. Bereits seit Jahren verspürte der Patient progrediente Belastungsangina und -dyspnoe. Eine Abklärung erfolgte bisher nicht. Als kardiovaskuläre Risikofaktoren bestanden eine arterielle Hypertonie sowie eine Dyslipidämie.
In Abbildung 1 ist das EKG bei Aufnahme abgebildet.
  • Diagnose?
  • Behandlungskonsequenz?

Antworten

  • Es handelt sich um einen akuten ST-Hebungsinfarkt mit einer signifikanten ST-Strecken-Elevation in aVR und V1 (aVR >V1) sowie ausgeprägten ST-Senkungen und T-Negativierung in V3–V6 sowie in geringerer Ausprägung in I, aVL, II und aVF (Abbildung 1).
  • Das EKG suggeriert eine hochgradige Hauptstammpathologie, welche die maligneste Manifestation der koronaren Herzerkrankung darstellt. Ihre schlechte Prognose und erhöhte Mortalität ist begründet auf Komplikationen wie einer hämodynamischen Instabilität mit kardiogenem Schock oder ausgedehnten Myokardnekrosen mit schwerer linksventrikulärer Dysfunktion und komplexen Herzrhythmusstörungen. Ein notfallmässiges aggressives Management einschliesslich einer Reperfusionstherapie ist daher indiziert. Unser Patient wurde innert kurzer Zeit hämodynamisch instabil und befand sich klinisch im Lungenödem. Er wurde zur Akutkoronarangiographie verlegt. Bei verifizierter koronarer 3-Gefäss-Erkrankung mit einer 99-prozentigen Stenose des distalen Hauptstammes und einer funktionell verschlossenen rechten Herzkranzarterie wurde notfallmässig eine 4-fache Myokardrevaskularisation mittels Bypass durchgeführt (LIMA an RIVA, singulärer Venengraft an RIVP, sequentieller Venenjump-Graft an RIM und RCX).

Kommentar

Die richtige Interpretation eines Infarkt-EKG bei Beteiligung des Hauptstammes ist nicht immer einfach. Hauptstammstenosen/-verschlüsse stellen nur ca. 0,5% aller akuten Myokardinfarkte dar, im beschwerdefreien Intervall kann das EKG sogar unauffällig aussehen. Da Hauptstammokklusionen sowohl zu einer Ischämie im Versorgungsgebiet des RIVA als auch des RCX führen, können die EKG-Veränderungen während des ischämischen Prozesses alternieren.
Typischerweise zeigen sich ST-Strecken-Hebungen in aVR und V1 (in aVR mehr als in V1) mit zusätzlich ausgedehnten ST-Strecken-Senkungen und T-Inversionen in den präkordialen Ableitungen (insbes. V4–V6) und in I und aVL. Bei Zunahme des Stenosegrades nehmen die ST-Streckenveränderungen zu.
Die posteriore Ischämie bei RCX-Beteiligung führt zu ST-Strecken-Senkungen in den präkordialen Ableitungen im Gegensatz zu einem reinen Verschluss des RIVA mit ST-Hebungen präkordial. Man geht davon aus, dass sich bei einer Hauptstammokklusion die gegensätzlichen Vektoren im Ischämiegebiet der posterioren und der anterioren Wand aufheben [1,2].
Die Ableitung aVR spielt in der Detektion der Hauptstammstenose eine sehr wichtige Rolle. Ihr wird jedoch bei der EKG-Interpretation oft keine oder nur geringe Beachtung geschenkt. Unser sogenanntes «Aschenputtel unter den EKG-Ableitungen». Die Ableitung aVR nimmt eine relativ isolierte Stellung ein, da sie nicht an die anderen 11 Ableitungen angrenzt. Der Vektor bei 150° liegt den Ableitungen I und II sowie V5 und V6 gegenüber.
aVR liefert uns spezifische Informationen über das basale interventrikuläre Septum sowie über den Ausflusstrakt des rechten Ventrikels. Die Koronarversorgung des basalen Septums erfolgt normalerweise durch den proximalen Septalast des RIVA. Ein transmuraler Infarkt bei Verschluss proximal dieses Astes spiegelt sich somit in einer ST-Hebung in aVR wieder [1,2]. Differenzialdiagnostisch muss bei einer ST-Strecken-Hebung in aVR auch an eine fulminante Lungenarterienembolie mit Rechtsherzbelastung oder an einen Verschluss einer dominanten RCA gedacht werden, da diese in Ausnahmefällen auch das basale Septum versorgt.

Funding/potential competing interests

No financial support and no other potential conflict of interest relevant to this article was reported.

References

  1. Wong, C.K.; Gao, W.; Stewart, R.A.H.; Benatar, J.; French, J.K.; Aylward, P.E.G.; et al. aVR ST elevation: an important but neglected sign in ST elevation acute myocardial infarction. Eur Heart J. 2010, 31, 1845–1853. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
  2. Yamaji, H.; Iwasaki, K.; Kusachi, S.; Murakami, T.; Hirami, R.; Hamamoto, H.; et al. Prediction of acute left main coronary artery obstruction by 12-lead electrocardiography. ST segment elevation in lead aVR with less ST segment elevation in lead V1. J Am Coll Cardiol. 2001, 38, 1348–1354. [Google Scholar] [CrossRef] [PubMed]
Abbildung 1. EKG bei der Spitalaufnahme.
Abbildung 1. EKG bei der Spitalaufnahme.
Cardiovascmed 14 00165 g001

Share and Cite

MDPI and ACS Style

Isbary, M.; Schreen, C.; Christen, S. Aschenputtel. Cardiovasc. Med. 2011, 14, 165. https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01592

AMA Style

Isbary M, Schreen C, Christen S. Aschenputtel. Cardiovascular Medicine. 2011; 14(5):165. https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01592

Chicago/Turabian Style

Isbary, Maria, Christoph Schreen, and Stefan Christen. 2011. "Aschenputtel" Cardiovascular Medicine 14, no. 5: 165. https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01592

APA Style

Isbary, M., Schreen, C., & Christen, S. (2011). Aschenputtel. Cardiovascular Medicine, 14(5), 165. https://doi.org/10.4414/cvm.2011.01592

Article Metrics

Back to TopTop