Quelle
Descoutures F, Vahanian A, et al. Contemporary surgical or percutaneous management of severe aortic stenosis in the elderly. Eur Heart J. 2008;29:1410–7.
Hintergrund
Bisher konnten viele ältere Patienten mit schwerer symptomatischer Aortenstenose aufgrund von Komorbiditäten und hohem Operationsrisiko nicht für einen chirurgischen Klappenersatz berücksichtigt werden und viele wurden aus denselben Gründen nicht einmal für eine solche Option evaluiert [
1]. In den letzten Jahren wurde die Technik des perkutanen Aortenklappenersatzes (PAKE) entwickelt, um gerade älteren Patienten mit hohem Operationsrisiko eine minimalinvasive Alternative zum herkömmlichen chirurgischen Klappenersatz (CAKE) zu bieten.
Hypothese und Hauptfragestellung
Ziel dieser Studie war es, prospektiv Patientencharakteristika, therapeutische Optionen und Outcome des PAKE im Vergleich zum Goldstandart CAKE zu evaluieren.
Studiendesign und Ziel
Descoutures et al. haben über einen Zeitraum von sieben Monaten 66 konsekutive Patienten gescreent, welche zur Behandlung einer schweren symptomatischen Aortenstenose an ein Tertiärzentrum mit der Möglichkeit sowohl eines CAKE als auch eines PAKE zugewiesen wurden. Perioperatives Sreening für alle Patienten inkludierte die klinische Evaluation, eine transthorakale Echokardiographie sowie eine koronare und femoroiliakale Angiographie. Auf der Basis dieser Abklärungen wurde durch ein Team von Kardiologen, Chirurgen und Anästhesisten das Risikoprofil des Patienten festgelegt und durch Evaluation mittels Risikoscores (EuroSCORE und STSPROM) ergänzt. Für den PAKE wurde die Edwards-Sapien-ballonexpandierbare Klappe verwendet. Im Falle eines CAKE wurde der Aortenklappenersatz wann immer möglich mittels Bioprothese gewählt, falls nötig wurde eine aortokoronare Bypass-Operation in der gleichen Sitzung durchgeführt.
Einschlusskriterien
Hochrisikopatienten (EuroSCORE >20) oder solche mit Kontraindikationen für einen CAKE wurden für PAKE vorgesehen und in ein europäisches Studienregister (REVIVE) aufgenommen.
Ausschlusskriterien
Hauptausschlusskriterien für PAKE waren eine Stenose >70% des linken Hauptstamms, ein Aortenannulusdurchmesser von <18 mm oder >25 mm in der parasternalen Längsachse, ausgemessen mittels Echokardiographie, eine iliofemorale Erkrankung oder ein Diameter der A. iliaca von <8 oder 9 mm (22 oder 24 F) sowie Umstände, welche die Lebensqualität oder das Überleben trotz PAKE unwahrscheinlich machten. Patienten ohne Hochrisikoprofil wurden direkt für CAKE berücksichtigt.
Endpunkte
Outcome-Variabeln waren der klinische Follow-up und die transthorakale Echokardiographie bei allen Patienten vor Entlassung inklusive aller Komplikationen sowie der 6-Monats-Follow-up bei allen Überlebenden (n = 60), erfasst durch klinische Visiten oder Telefonanrufe.
Ergebnisse
Während einer 7-monatigen Periode wurden 66 konsekutive Patienten mit einem mittleren Alter von 83 ± 6 Jahren zur Behandlung einer schweren symptomatischen Aortenstenose an ein Tertiärzentrum zugewiesen (Flow vgl. Abb. 1). Davon wurden 39 Patienten (59%) als nicht operabel oder als operative Hochrisikopatienten für einen CAKE bezeichnet. Von den initial 66 Patienten wurden 12 (18%) für PAKE vorgesehen und die übrigbleibenden 27, welche als nicht geeignet für PAKE angesehen wurden, wurden entweder medikamentös (16 Patienten) therapiert oder bekamen eine Katheterballondilatation der Aortenklappe (n = 7). 12 von den 16 medikamentös therapierten Patienten und 5 von den Patienten mit Ballondilatation der Aortenklappe wurden für einen transapikalen Aortenklappenersatz (TAKE) vorgesehen. Von den 27 nicht für PAKE qualifizierenden Patienten wurden schlussendlich vier doch noch nach Reevaluation einem CAKE unterzogen. Zwei dieser vier Patienten hatten gar eine koronare Dreigefässerkrankung und erhielten neben dem CAKE auch eine aortokoronare Bypassoperation. Den anderen 27 der initalen 66 Patienten wurde eine geringe Operationsmortalität (EuroSCORE <20) attestiert und sie wurden bereits primär einem CAKE zugeführt.
Abbildung 1.
Flow von 66 konsekutiven Patienten >70 Jahre, zugewiesen für die Behandlung bei symptomatischer schwerer Aortenstenose (modifiziert nach [
1]). KI = Kontraindikation; PAKE = perkutaner Aortenklappenersatz; CAKE = chirurgischer Aortenklappenersatz; TAKE = transapikaler Aortenklappenersatz.
Abbildung 1.
Flow von 66 konsekutiven Patienten >70 Jahre, zugewiesen für die Behandlung bei symptomatischer schwerer Aortenstenose (modifiziert nach [
1]). KI = Kontraindikation; PAKE = perkutaner Aortenklappenersatz; CAKE = chirurgischer Aortenklappenersatz; TAKE = transapikaler Aortenklappenersatz.
Bei den PAKE-Patienten war die Klappenimplantation bei zwei Patienten nicht erfolgreich (17%) und es gab drei (25%) periinterventionelle Todesfälle, wohingegen bei den 27 direkt einem CAKE zugewiesenen Patienten nur ein Patient (3%) früh starb und es keine weiteren Todesfälle bis zum postoperativen 6-Monats-Follow-up gab. Dagegen verstarben in der nicht chirurgischen Gruppe (PAKE und medikamentös) 6 Patienten (10%) innerhalb des Follow-up-Zeitraums von 6 Monaten: zwei nach Katheterballondilatation und vier nach medikamentöser Therapie. Weiters hatten alle der vier Patienten, welche aufgrund von Kontraindikationen keinen PAKE erhielten und erst später nach Reevaluation einem CAKE zugeführt wurden, einen ereignislosen weiteren Verlauf.
Kommentar
In dieser prospektiven Studie wurden laut Autoren erstmals detailiert die klinischen Charakteristika und das Management von älteren Patienten mit schwerer symptomatischer Aortenstenose beschrieben. Die Studie zeigt, das die Mehrheit dieser Patienten (59%) Hochrisikoeigenschaften haben und dass eine individuelle Behandlungsstrategie mit der Möglichkeit eines PAKE oder CAKE die Anzahl der Patienten erhöht, welche eine effektive ihnen bestmöglich angepasste Behandlung erhalten.
Die Resultate des CAKE waren zufriedenstellend mit nur einem Todesfall während des Spitalaufenthaltes, eine niedrige nicht fatale postoperative Komplikationsrate und ein erfreuliches mittelfristiges Outcome. Chirurgische Registerdatenzeigen, dass die Mortalität beim CAKE gering ist und bei 3% [
1] liegt und sogar bei 80–90-Jährigen mit einem Risiko von 10% [2,3] durchgeführt werden kann. Das Risiko verdoppelt sich jedoch von 3 auf 6% [
4], wenn zusätzlich eine koronare Bypass-Operation gemacht werden muss. Die Studie zeigt, dass durch den Gebrauch von Risikoscores eine adäquate Selektion von Niedrigrisikopatienen gemacht werden kann mit einem exzellenten Outcome. Der Team-Approach führte sogar dazu, dass Patienten, welche initial für PAKE vorgesehen waren, nach Reevaluation trotzdem einem CAKE mit erfolgreichem Resultat zugeführt wurden.
Trotz unmittelbar postinterventionell guten hämodynamischen Resultaten der ballonexpandierbaren Aortenklappenprothese mit nur milder Regurgitation war die Frühmortalität hoch (3 von 12 Patienten). Dies könnte laut Autoren am operativen Hochrisikoprofil der Patienten liegen sowie an der initialen Lernkurve. Somit unterstreicht dies lediglich die Evaluation und Selektion von Patienten für PAKE weiter zu verbessern: denn Verbesserung in der Selektion, Technik und Ausrüstung wird das Outcome beim PAKE in der Zukunft bestimmen. Dennoch gab es in der vorliegenden Studie keine Todesfälle in der Spätphase und eine Verbesserung im funktionellen Status konnte bei 78% der Patienten erzielt werden. Ein Grossteil der Patienten mit einer Kontraindikation (17 von 27) für PAKE wurden sofern hämodynamisch stabil für einen TAKE in naher Zukunft vorgesehen.
Dennoch bleiben folgende Fragen offen:
- (1.)
Gibt es weitere, das Outcome günstig beinflussende klinische Prädiktoren, welche ein Scoring-System für eine optimale Selektion weiter verbessern können?
- (2.)
Kann in Zukunft durch eine längere Haltbarkeit der PAKE-Prothesen, diese Technik auch bei jungen Patienten mit Niedrigrisikoprofil als echte minimalinvasive Alternative zum Goldstandard des CAKE angeboten werden?
- (3.)
Sind wir bereit, im Team-Approach zwischen Grundversorgern, Kardiologen und Herzchirurgen, vom Peripheriespital bis zum hochspezialisiertem Zentrum, eine auf den Patienten individuell massgeschneiderte Evaluation und Therapie anzubieten?