Fallbericht
Ein 64jähriger Patient wurde im Februar 2007 wegen Einschränkung der Leistungsfähigkeit, Husten und Anstrengungsdyspnoe NYHA III–IV kardiologisch abgeklärt. Klinische Diagnose einer Herzinsuffizienz. An kardiovaskulären Risikofaktoren fand man eine familiäre Belastung, einen schweren Nikotinkonsum von über 45 Pack-Years und eine leichte Hypercholesterinämie von 6,58 mmol/l. Zusätzlich bestand eine Hypertonie und eine Niereninsuffizienz Stadium III mit einem Kreatinin von 186 µmol/l bzw. einer Kreatinin-Clearance von 33 ml/min. Hausärztliche Behandlung mit Torasemid 15 mg, Lisinopril 20 mg, Metoprolol 75 mg und Azetylsalizylsäure 100 mg.
In der Echokardiographie fand sich ein vergrösserter linker Ventrikel (LV) mit eingeschränkter Kontraktilität aller Wandabschnitte, eine systolische Auswurffraktion (EF) von 33%, eine diastolische Dysfunktion mit Relaxationsstörung und ein erhöhter LVEDP. Überraschenderweise war die Aorta abdominalis mit 4 cm aneurysmatisch erweitert. Ebenso fand sich eine aneurysmatisch veränderte Arteria iliaca beidseits. Nach ausreichender Hydrierung und Vorbehandlung mit Acetylcystein, zur Vermeidung einer kontrastmittelinduzierten Niereninsuffizienz, wurde eine beschleunigte Koronarangiographie durchgeführt. Diese bestätigte die Verdachtsdiagnose einer schweren 3-Ast-Gefässerkrankung mit einer hochgradigen Abgangsstenose am RIVA mit Status nach Plaque-Ruptur und diffuse Wandveränderungen an den restlichen Gefässen. Eine Hypokinesie bestand anterolateral und apikal. Es wurde ein PCI mit Einlage von zwei Taxus®-Stents von 3,0 x 24 mm durchgeführt. Medikamentös erhielt der Patient zusätzlich Clopidogrel, Azetylsalizylsäure, ein Statin und Ezetimibe.
Eine vorzeitige kardiologische Kontrolle im Mai wurde wegen erneuter Einschränkung der körperlichen Leistung, schweren Beinen mit leichten Beinödemen und einer persistierenden Sinustachykardie von 120/min. durchgeführt. Es bestanden keine subjektiv kardialen und abdominellen Beschwerden.
Auskultatorisch fand sich ein 4/6 hochfrequentes Systo-Diastolikum im Unterbauch, keine Symptome der Herzinsuffizienz. Mit einem Hb von 10,8 g% war der Patient sehr blass, es fehlten Entzündungsparameter und die Nierenfunktion war mit einer Clearance von 33 ml/min. unverändert eingeschränkt. Das Kontrollecho ergab einen sich gut kontrahierenden LV mit einer systolischen EF von 58%. Keine pulmonal-arterielle Hypertonie.
Die erneute Sonographie der Aorta zeigte eine Zunahme des Durchmessers des iliakalen Aneurysmas auf einen Durchmesser von 5,5 cm. Das notfallmässige Angio-CT bestätigte die klinische Verdachtsdiagnose einer gedeckten Perforation des Aneurysmas mit iliokavalem Shunt.
In einer Aortographie zeigte sich nebst dem stabilen infrarenalen Aortenaneurysma (4,5 cm) ein partiell thrombosiertes iliakales Aneurysma von 5,5 cm mit massivem Shunt in die Vena cava inferior, wobei die Ruptur der Arterienwand proximal des Abgangs der rechten A. iliaca interna lag. Es fand sich kein extravasales Kontrastmittel (Abb. 1–3).
Auf Grund der anatomischen Gegebenheiten mit kurzem infrarenalem aortalem «Hals» qualifizierten die Befunde nicht für eine endovaskuläre Therapie mit Stentgraft-Implantation. Deshalb erfolgte eine konventionell-operative Sanierung mit medianer Laparatomie (unter Clopidogrel und Azetylsalizylsäure). Intraoperativ zeigte sich eine Perforation in die Vena cava von ca. 1 cm Durchmesser. Die infrarenale Bauchaorta und die Beckenarterien wurden bei gleichzeitigem Verschluss des ilio-cavalen Shunts durch eine aortobiiliakale Dacron-Prothese (Vascutek Gelsoft™ plus 22 x 11 mm) ersetzt.
Nach zwölf Tagen konnte der Patient unter Clopidogrel, Azetylsalizylsäure 100 mg, Metoprolol, Lisinopril, Ezetimibe 10 mg und Simvastatin 20 mg in die weitere hausärztliche Betreuung entlassen werden.
Abbildung 1. Konventionelles CT mit AV-Fistel (
![Cardiovascmed 11 00061 i004 Cardiovascmed 11 00061 i004]()
) zwischen dem Aneurysma der Arteria iliaca communis (A) und der Vena cava inferior (V). (Wir verdanken die Abbildung Frau Dr. med. Kathrin Stoob, Fachärztin FMH Radiologie, Röntgeninstitut, Klinik Hirslanden, Zürich.).
Abbildung 2. CT-Angio, 3-Dimensionale Rekonstruktion: Frühaufnahme der arteriellen Phase – die Venen sind distal nicht dargestellt, gegen proximal gleiche Kontrastdichte wie in den Arterien. Die arterio-venöse Fistel lässt sich sehr schön darstellen. (Wir verdanken die Abbildung Frau Dr. med. Kathrin Stoob, Fachärztin FMH Radiologie, Röntgeninstitut, Klinik Hirslanden, Zürich.).
Abbildung 3. Aortographie: Pigtail im Aneurysma der Aorta abdominalis, AV-Fistel bei Perforation des Aneurysmas iliacal mit Darstellung der Vena cava.
Diskussion
Die Rupturgefahr eines Aneurysmas steigt bekanntlich mit dem Durchmesser und ist bei iliakalen Aneurysmata höher als bei aortalen. Die perioperative Mortalität eines rupturierenden Aneurysmas ist je nach Lokalisation ausgesprochen hoch. Bei iliakalen Rupturen höher als bei aortalen Aneurysmata – 57
vs 31% [
1]. Im Rahmen einer Ruptur kommt es in sehr seltenen Fällen zu einer aortokavalen Fistelbildung. Diese stellen mit insgesamt etwa 150 in der Literatur berichteten Fällen eine seltene Komplikation dar [
2]. Die Inzidenz wird mit 1% aller abdominellen Aortenaneurysmata und 3–6% aller rupturierten Aortenaneurysmata angegeben. In den meisten Fällen handelt es sich um atherosklerotische Gefässveränderungen.
Bei unserem 64jährigen Patienten kam es zu einer spontanen, schmerzlosen Ruptur eines atherosklerotischen Aneurysmas der Arteria iliaca in die Vena cava inferior mit hämodynamisch relevanter aorto-kavaler Fistel.
Als Folge dieses Links-Rechts-Shunts mit Volumenbelastung fand sich die ausgeprägte persistierende Sinustachykardie und die leichte Beinschwellung beidseits mit Müdigkeit unter Belastung sowie in der klinischen Untersuchung ein eindrückliches Systo-Diastolikum über dem Aneurysma. Keine Lungenstauung. In der Literatur wird die Trias abdomineller Schmerz, pulsierende Resistenz und ein maschinenartiges Strömungsgeräusch beschrieben. Diese typischen Befunde sind aber nur bei einem Teil der Fälle vorhanden [
3,
4]. Zusätzlich besteht häufig eine eingeschränkte Nierenfunktion durch eine verminderte Nierenperfusion bei erhöhtem venösem Druck in den Nierenvenen und erniedrigtem arteriellem Druck. Durch den zunehmenden Links-Rechts-Shunt und die Volumenüberlastung des venösen Systems folgt ein progredientes High-output-Herzversagen. Ein klassischer klinischer Befund ist ein Ödem der unteren Extremitäten. Seltene Symptome sind Skrotalödem, Aszites, portale Hypertonie, paradoxe Lungenembolie, Priapismus, rektale Blutung und Hämaturie [
5,
6].
In den aktuellen Publikationen findet man drei Fallbeschreibungen einer hyperdynamen Herzinsuffizienz auf Grund einer aortokavalen Fistel [
6,
7,
8]. Eine dieser Kasuistik beschreibt bei einem 74jährigen Patienten ein Lungenödem mit kardiogenem Schock nach Perforation eines Bauchaortenaneurysmas in die Vena cava [
7]. In einem weiteren Fall wurde ein 59jähriger Patient mit einer aortokavalen Fistel bei einem abdominalen Aortenaneurysma im schweren Schock beschrieben [
2]. Eine kürzliche Veröffentlichung eines 65jährigen Patienten mit einseitiger Beinschwellung ergänzt die Publikationen der letzten Jahre [
9].
Die klinische Verdachtsdiagnose konnte auch in unserem Fall mittels Sonographie und Angio-CT bestätigt werden [
2,
9]. Die sicherste Therapie besteht in einer hämodynamischen Stabilisierung und in der raschen chirurgischen Versorgung mit Verschluss der AV-Fistel und Interposition einer Gefässprothese [
5]. In ausgesuchten Fällen sind auch minimalinvasive kathetertechnische Verschlüsse mittels endovaskulärer Implantation eines Stentgrafts möglich [
10].
Diese seltene Komplikation eines Bauchaortenaneurysmas mit Links-Rechts-Shunt und massiver venöser Volumenbelastung mit Zeichen der Herzinsuffizienz sollte genauso bekannt sein wie die sehr seltene Komplikation einer Perforation ins Duodenum mit gastrointestinalem Blutverlust [
11,
12]. Ziel unserer Kasuistik ist es, diese Überlegungen auch im Alltag in die Differenzialdiagnose miteinzubeziehen.